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Calopteryx virgo (Linnaeus, 1758) / Blauflügel-Prachtlibelle (Sachsen)

Synonyme


Blauflügelige Prachtlibelle

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:BG (besonders geschützt)
Rote Liste Deutschland:* (derzeit keine Gefährdung)
Rote Liste Sachsen:3 (gefährdet)

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

In Deutschland nur die Nominatform. Die Systematik der C. virgo-Gruppe im Süden des Verbreitungsgebietes ist noch nicht abschließend geklärt.

Kennzeichen

Typische Prachtlibelle: Große, kräftig gebaute Kleinlibelle mit >8 mm Flügelbreite und metallisch glänzendem Körper. Flügel der Männchen fast vollständig metallisch blauschwarz, bei der heimischen C. v. virgo gelegentlich an der Basis und an der Flügelspitze geringfügig aufgehellt, aber Pigmentierung nie auf ein deutlich abgegrenztes blaues Flügelband reduziert (vgl. Gebänderte Prachtlibelle C. splendens). Unterseite der letzten Hinterleibssegmente mit roter Signalfärbung („rotes Licht“, bei C. splendens weißlich-gelb ). Flügel der Weibchen dunkel braun getönt, hellen mit zunehmendem Alter auf. Die Weibchen können am besten von C. splendens-Weibchen am Abstand des Flügelmales zur Flügelspitze und der dunklen seitlichen Färbung der Bauchplatte unterschieden werden. Exuvien und Larven der Prachtlibellen unterscheiden sich von allen anderen Kleinlibellenlarven durch die sehr großen ersten Fühlerglieder. Bei C. virgo sind diese etwas länger als alle anderen Fühlerglieder zusammen. Ausgewachsene Larven besitzen ferner jeweils hinter den Augen einen großen Höcker, der diese überragt. Die Unterscheidung kleinerer Larvenstadien der beiden Arten ist schwierig.

Biologie und Ökologie

Calopteryx virgo ist eine Charakterart sommerkalter Fließgewässer. Über die Habitateignung eines Gewässers entscheiden der Sauerstoffbedarf und das Sauerstoffaufnahmevermögen der Larven (Zahner 1959). Als habitatbindende Faktoren wirken u. a. Vegetationstrukturen, der Wärmehaushalt des Gewässers sowie der Sauerstoffgehalt des Wassers (Sternberg & Buchwald 1999, Zahner 1959). Im Gegensatz zur Gebänderten Prachtlibelle (C. splendens) können die Larven im Wasser gelösten Sauerstoff schlechter verwerten und reagieren sensibler gegenüber Sauerstoffmangel. Die Effizienz des Sauerstoffaustauschs ist dabei strömungsabhängig, sinkt aber bei Strömungsgeschwindigkeiten von mehr als 3-5 cm/s. Dementsprechend besitzt die Art zwei Habitatschwerpunkte: schnellfließende Bäche und kleine Flüsse mit mittlerer bis starker Besonnung sowie stark beschattete größere Fließgewässer mit geringer Strömung. Die spezifischen Ansprüche der Imagines an das Mikroklima über dem Gewässer (Wind- und Verdunstungsschutz) bewirken im Offenland eine Vorliebe für beidseitigen Uferbewuchs bzw. stärker eingesenkte Fließgewässer (Sternberg & Buchwald 1999). Beidseitige Mahd der Ufersäume wirkt sich daher auf C. virgo meist deutlicher negativer aus als auf C. splendens.

Die Larven halten sich überwiegend in submers flutenden Wasserpflanzenbeständen, unter Wurzeln oder Steinen bzw. im Treibgut auf und ernähren sich überwiegend von kleinen Flohkrebsen und Insektenlarven. Die Entwicklungsdauer beträgt (1 bis) 2 Jahre.

Imagines sind bei sonnigem Wetter gut an den Fließgewässern zu beobachten. Die Männchen besetzen und verteidigen Territorien, die die Weibchen zur Paarung und Eiablage aufsuchen. Die Eiablage erfolgt in flutende oder untergetauchte Pflanzenteile. Der Verlauf der Wiederbesiedlung der sächsischen Fließgewässer nach der Verbesserung der Gewässergüte in den 1990er Jahren belegt ein mittleres Ausbreitungsvermögen, wobei die Ausbreitung vorzugsweise strukturgebunden entlang der Fließgewässer erfolgte.

Überregionale Verbreitung

Die Blauflügel-Prachtlibelle besiedelt in mehreren Unterarten ein Areal, welches vom Südwesten der Iberischen Halbinsel und dem Maghreb bis zur Mongolei reicht. In Finnland überschreitet die Art den Polarkreis.

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

günstig (Gutachterliche Bewertung)

Hinweise Erhaltungszustand

Seit der Erstellung der sächsischen Roten Liste im Jahr 2005 konnte eine deutliche weitere Bestandszunahme der Art beobachtet werden. Auch wenn sich noch nicht alle Vorkommen in einem guten Erhaltungszustand befinden und die Art lokal auch wieder Rückgänge aufweist (z.B. im Einzugsgebiet der Spree), würde sie bei einer Neubewertung sachsenweit vermutlich als ungefährdet eingestuft.

Prüfung und Erfassung


Einstufung nach F+E-Projekt Artenschutzkonzeption 2012

Allgemeine Maßnahmen in Lebensräumen, Priorität 3 (mittlere)

Untersuchungsstandards

Es liegen keine Untersuchungsstandards vor. Sichtbeobachtungen von Imagines, besonders aber Beobachtungen eierlegender Weibchen an Fließgewässern geben gute Hinweise auf Reproduktionsgewässer. Imagines in der Reifephase bzw. ältere Tiere können jedoch auch im weiteren Umfeld der Reproduktionsstätten angetroffen werden und sich teilweise an ungeeigneten Gewässern territorial verhalten. Ein Reproduktionsnachweis kann damit nur durch Funde von Exuvien, schlupfreifen Larven oder schlüpfenden bzw. unmittelbar geschlüpften Tieren erbracht werden. Die Exuvien sitzen meist an Stängeln oder Blattunterseiten der emersen Röhrichte bzw. der Ufervegetation. Sinnvoll ist auch die Kontrolle von Bauwerken am Gewässer auf Exuvien. Unter Brücken und in geschützten Lagen können Exuvien teilweise mehrere Jahre lang erhalten bleiben und auch außerhalb der Hauptschlupfzeit nachgewiesen werden. Für einen Präsenznachweis der Art reicht häufig eine einmalige Begehung im Zeitraum Mitte Mai bis Mitte Juni aus (in montanen Lagen Anfang Juni bis Mitte Juli). Für eine halbquantitative Erfassung sollten mindestens 3-4 Begehungen im Zeitraum Mai bis August erfolgen.

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Nachweisabsicherung

Nein

Langfristiger Bestandstrend

  • sehr starker Rückgang
  • starker Rückgang

Kurzfristiger Bestandstrend

  • gleichbleibend
  • deutliche Zunahme

Bestand

Die Blauflügel-Prachtlibelle ist aktuell in Sachsen eine häufige Libellenart. Im Leipziger Land, dem Nordsächsischen Platten- und Hügelland und den hohen Lagen der Mittelgebirge bestehen größere Verbreitungslücken. In den erwähnten Bereichen im Tief- und Hügelland existieren nur sehr wenige für die Art geeignete Gewässer, währenddessen das Fehlen in den hohen Lagen der Mittelgebirge wohl klimatisch bedingt ist. Eine gezielte Nachsuche an geeignet erscheinenden Gewässern im Westteil des Landkreises Nordsachsen wäre für die Klärung der Frage einer eventuellen Verbreitungslücke sinnvoll. Nur verhältnismäßig wenige Nachweise liegen aber auch aus den unteren und mittleren Lagen des Mittel- und Westerzgebirges vor. Letztere sind neben der geogen bedingten ungünstigen Gewässerchemie einiger Fließgewässer und der teilweise fehlenden Vegetationsstrukturen vermutlich auch auf Kartierungslücken zurückzuführen.

Regionales Vorkommen

  • Chemnitz/Ob. Erzgebirge: Nachweis ab 1980
  • Oberes Elbtal/Osterzgeb.: Nachweis ab 1980
  • Oberlausitz/Niederschles.: Nachweis ab 1980
  • Westerzgebirge/Vogtland: Nachweis ab 1980
  • Westsachsen: Nachweis ab 1980

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Naturraumkarte

Naturraumkarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Erläuterung Phänologie

Aufgrund der überwiegend zweijährigen Larvalzeit sind ganzjährig Larven in den Entwicklungsgewässern anzutreffen. Sie reagieren im Winterhalbjahr besonders empfindlich auf Eingriffe in das Gewässer und Einschwemmung von Feinsedimenten, da sie temperaturbedingt nur eingeschränkt bewegungs- und reaktionsfähig sind.

Lebensraum


Fortpflanzungsstätten: Die Art reproduziert in sommerkalten Bächen und Flüssen. Die Imagines benötigen Sitzwarten am und im Gewässer sowie Eiablagesubstrate in Form von flutenden oder flach überspülten Pflanzenteilen. Infolge der mikroklimatischen Ansprüche der Imagines wird die Habitatqualität auch über das Vorhandensein von entwickelten Uferstaudenfluren oder Röhrichten bestimmt. Zum Habitatschema der Imagines gehören zumindest kleinräumig besonnte Gewässerbereiche. An größeren Flüssen im Hügel- und Tiefland halten sich die Imagines überwiegend unter überhängenden Uferbäumen auf. Optimalhabitate zeichnen sich oft durch einen engen Wechsel von beschatteten und besonnten Abschnitten aus. Die Larven leben strukturgebunden in Wasserpflanzenbeständen, flutenden Wurzeln, Treibgut, aber auch unter Steinen, an Totholz oder an unterspülten Ufern.

Jagd- und Ruhestätten: Als Reife- und Jagdhabitate dienen besonnte Wiesen, Waldlichtungen, Wegränder etc. mit Reichtum an Kleininsekten in meist windgeschützten Lagen. An stark beschatteten Bächen halten sich die Tiere teilweise auch im Kronenbereich der Bäume auf. Als Ruhestätten nutzen die geschlechtsreifen Imagines in der Regel die Ufervegetation inklusive niedriger Bäume und Sträucher in unmittelbarer Gewässernähe.

Hinweise zur Abgrenzung von Populationen: Regionale Abstufung unterhalb der Ebene Landkreis, i. d. R. Quell- und Einzugsgebiet eines Baches oder größerer Flussabschnitt

Habitatkomplexe

  • Fließgewässer, Quellen

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Fließgewässer, Quellen

Ökologische Charakterisierung

  • Fließgewässer

Höhenstufen

  • collin
  • löschen
  • montan
  • planar

Management


Beurteilung

Aus dem gegenwärtigen positiven Bestandstrend lässt sich kein Bedarf überregionaler, über den allgemeinen Lebensraumschutz hinausgehender Schutzkonzepte ableiten.

Management

Schutz durch allgemeinen Schutz der Lebensräume.

Lokal besteht vielfach nach wie vor Bedarf an lebensraumverbessernden Maßnahmen, insbesondere Verbesserung der Gewässerstrukturgüte, Vermeidung von Stoff- und Sedimenteinträgen aus dem Umland, Vermeidung einer vollständigen Beschattung der Gewässer. Die naturschutzfachlich durchaus wünschenswerte Umwandlung von bachnahen Fichtenforsten zu Erlen-Säumen kann durch vollständige Beschattung in der Aufwuchsphase zu einem Totalverlust der Lebensraumeignung für Fließwasserlibellen führen. Dies kann vermieden werden, wenn anstatt einer flächendeckenden Pflanzung nur eine punktuelle Initialpflanzung erfolgt und sich strukturreichere Bestände entwickeln können. Zentrales Medium für die Sammlung von Artdaten in der Naturschutzverwaltung des Freistaates Sachsen ist die Zentrale Artdatenbank beim LfULG: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/8048.htm; Aktuelle Übersichtskarten der Verbreitung von Arten in Sachsen können unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/ida

Gefährdungen


Die positive Bestandsentwicklung der letzten 20 Jahre ist vermutlich überwiegend ein Ergebnis der gesunkenen Abwasserbelastung der kleinen Fließgewässer. Lokal profitierte die Art zusätzlich von Renaturierungsmaßnahmen und einer Verbesserung der Gewässerstrukturgüte. Besonders im Schwerpunktverbreitungsgebiet der Art in Sachsen, den Mittelgebirgen und ihren Vorländern, sind aber in den nächsten Jahren eine Vielzahl von Eingriffen in die Gewässersysteme durch die Umsetzung in Planung befindlicher Hochwasserschutzmaßnahmen zu erwarten. Hauptgefährdungsursachen der Art sind: 

  • Gewässerausbau und –regulierung 
  • geschlossene Uferbepflanzung in den Mittelgebirgslagen, besonders bei der forstlichen Waldumwandlung der Fichtenforste in Tallagen zu dichten, bachbegleitenden Erlen-Säumen 
  • Aufforstung von gewässernahen Offenlandhabitaten

Sonstiges


Literatur

Günther, A. (2005): Blauflügel-Prachtlibelle Calopteryx virgo (Linnaeus, 1758) – In: Brockhaus, T. & U. Fischer (Hrsg.): Die Libellenfauna Sachsens. – Natur & Text, Rangsdorf: 56-59.

Günther, A., M. Olias & T. Brockhaus (2006): Rote Liste Libellen Sachsens. – Materialien zu Naturschutz und Landschaftspflege 2006, hrsg. vom Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie, Dresden, 20 S.

Ott, J. & W. Piper (1998): Rote Liste der Libellen (Odonata). – In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands. – Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 55: 260–263.

Rüppell, G., Hilfert-Rüppell, D., Rehfeldt, G. & Schütte, C. (2005). Die Prachtlibellen Europas. Gattung Calopteryx. - Die Neue Brehm-Bücherei 654. Westarp, Hohenwarsleben.

Sternberg, K. & R. Buchwald (1999): Calopteryx virgo (Linneaeus, 1758) Blauflügel-Prachtlibelle. In: Sternberg, K. & R. Buchwald (Hrsg.): Die Libellen Baden-Württembergs. Band 1. – Eugen Ulmer, Stuttgart: 203–215.

Wildermuth, H. & A. Martens (2014): Taschenlexikon der Libellen Europas. Alle Arten von den Azoren bis zum Ural im Porträt. – Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim.

Zahner, R. (1959): Über die Bindung der mitteleuropäischen Calopteryx-Arten (Odonata, Zygoptera) an den Lebensraum des strömenden Wassers. I. Der Anteil der Larven an der Biotopbindung.- Internationale Revue der gesamten Hydrobiologie 44:51-130

Zahner, R. (1960): Über die Bindung der mitteleuropäischen Calopteryx-Arten (Odonata, Zygoptera) an den Lebensraum des strömenden Wassers. II. Der Anteil der Imagines an der Biotopbindung.- Internationale Revue der gesamten Hydrobiologie 45:101-123

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG; Stand: 7.12.2015; Bearbeiter: Dr. André Günther und Marko Olias (Naturschutzinstitut Freiberg); Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: Heiner.Blischke@smul.sachsen.de

Legende zum Artensteckbrief unter: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22872.htm; Informationen zur Artengruppe für Sachsen: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22988.htm