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Gomphus vulgatissimus (Linnaeus, 1758) / Gemeine Keiljungfer (Sachsen)

Synonyme


Gemeine Flussjungfer, Gemeine Flußjungfer

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:BG (besonders geschützt)
Rote Liste Deutschland:V (zurückgehende Art lt.Vorwarnliste, zurückgehende Pflanzengesellschaften (keine Gefährdungskategorie!))
Rote Liste Sachsen:3 (gefährdet)

Allgemeine Arteninformationen


Kennzeichen

Mittelgroße, kräftig gebaute Großlibelle mit dickem, keulenförmigem Abdomen. An den weit voneinander getrennten Komplexaugen als Flussjungfer (Familie Gomphidae) zu erkennen. Besitzt als einziger heimischer Vertreter der Familie völlig schwarze Beine. Körperfarbe gelb (Weibchen und jungen Männchen) bzw. graugrün (ausgefärbte Männchen) mit stark ausgebildeter schwarzer Zeichnung auf Brust und Hinterleib. Augen sind bei älteren Männchen blaugrün. Verwechslungsmöglichkeiten: Die Westliche Keiljungfer (Gomphus pulchellus) und die Asiatische Keiljungfer (Gompus flavipes) haben wie die Grüne Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia) gelb-schwarz gestreifte Beine. Larven und Exuvien sind stark abgeflacht und besitzen vier sehr unterschiedlich geformte Fühlerglieder, von denen das dritte länger ist, als alle andern zusammen. Durch das Fehlen von Rückendornen leicht von Ophiogomphus und Onychogomphus zu unterscheiden. Ein wichtiges Bestimmungsmerkmal zur Unterscheidung der heimischen Gomphus-Arten ist die Form des 10. Hinterleibssegments.

Biologie und Ökologie

Gomphus vulgatissimus besiedelt ein breites Spektrum von Fließgewässern von kleinen Bächen bis zu großen Flüssen, aber auch Brandungsufer von Seen und nährstoffarme, meist grundwasserbeeinflusste, ausdauernde Stillgewässer. Die höchsten Dichten treten in den Mittelläufen der Flüsse auf, sommerkalte Bäche der Mittelgebirge werden gemieden. Die Larven leben überwiegend in strömungsberuhigten Bereichen und graben sich flach in die Bodensubstrate ein. Sie bevorzugen feinkörnige, mit Schlamm oder Detritus durchsetzte Sedimente. Gröbere Sande, die einer starken Umlagerung durch die Strömung unterliegen, werden gemieden. Die Entwicklungszeit beträgt temperaturabhängig 2 bis 3 (4) Jahre.

Geschlechtsreife Männchen sitzen bevorzugt auf Blättern der Ufervegetation, an breiteren Gewässern in Ermanglung anderer Sitzwarten auch auf Treibgut oder Steinen und warten auf paarungsbereite Weibchen. Die Männchen sind nicht territorial, attackieren im Flug aber artgleiche Männchen. Auch bei gutem Wetter ist nur ein geringer Teil der Population zeitgleich am Gewässer anzutreffen. Die Mehrzahl der Imagines hält sich teilweise mehrere hundert Meter, in der Reifeflugzeit auch teils mehrere Kilometer vom Gewässer entfernt in strukturreichem Halboffenland, lichten Wäldern und im Kronenbereich von Uferbäumen oder Wäldern auf. Die Weibchen kommen nur zur Paarung und Eiablage ans Gewässer. Vor der Eiablage pressen die Weibchen auf einer gewässernahen Sitzwarte einen Eiballen aus, der im schnellen Flug, meist in Gewässermitte an der Wasseroberfläche abgestreift wird.

Überregionale Verbreitung

Das Verbreitungsgebiet der Gemeinen Keiljungfer reicht von der französischen und nordspanischen Atlantikküste bis Westsibirien. Die nördliche Verbreitungsgrenze verläuft durch Südengland und das südliche Fennoskandinavien. Auf dem südlichen Balkan, den Mittelmeerinseln und in Kleinasien wird die Art durch die nahe verwandte Türkische Keiljungfer Gomphus schneiderii ersetzt.

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

günstig

Hinweise Erhaltungszustand

Seit der Erstellung der sächsischen Roten Liste im Jahr 2005 konnte eine deutliche weitere Bestandszunahme der Art beobachtet werden. Auch wenn sich noch nicht alle Vorkommen in einem guten Erhaltungszustand befinden und die Art lokal auch wieder Rückgänge aufweist (z.B. im Einzugsgebiet der Spree), würde sie bei einer Neubewertung sachsenweit vermutlich als ungefährdet eingestuft.

Prüfung und Erfassung


Einstufung nach F+E-Projekt Artenschutzkonzeption 2012

Allgemeine Maßnahmen in Lebensräumen, Priorität 3 (mittlere)

Untersuchungsstandards

Es liegen keine Untersuchungsstandards vor. Infolge der hohen Mobilität der Imagines sind Fortpflanzungsnachweise verlässlich nur über Exuvienfunde oder frisch geschlüpfte Tiere zu erbringen. Das Auftreten einzelner Individuen an Gewässern gibt (noch) keinen Hinweis auf eine erfolgte Reproduktion im Gewässer. Die effektivste Methode ist die Exuviensuche im Zeitraum (Ende April) Anfang Mai bis Anfang Juni. Die sehr synchrone Schlupfperiode dauert meist nur 1 bis 3 Wochen und variiert in Abhängigkeit von der Wassertemperatur. Schlupfbeginn in warmen Tieflandgewässern ist teilweise schon Ende April, in Mittelgebirgsbächen meist erst Ende Mai. Daher sind zur Populationsbewertung an unbekannten Gewässern mindesten 3 Begehungen erforderlich. Der Schlupf erfolgt meist niedrig an der Ufervegetation bzw. an Faschinen, Mauern oder Steinen. In Flachwasserzonen ist die Exuviensuche mit Watstiefeln möglich, ansonsten ist der Einsatz eines Bootes für repräsentative Aufsammlungen notwendig. Unter Brücken und in geschützten Lagen können Exuvien teilweise mehrere Jahre lang erhalten bleiben und auch außerhalb der Hauptschlupfzeit nachgewiesen werden. Günstigster Zeitraum für eine Erfassung von Imagines am Gewässer ist Mitte Mai bis Mitte Juni.

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Nachweisabsicherung

Nein

Langfristiger Bestandstrend

sehr starker Rückgang

Kurzfristiger Bestandstrend

deutliche Zunahme

Bestand

Nachdem die Gemeine Keiljungfer noch in den 1980er Jahren in Sachsen fast ausgestorben war, ist sie aktuell vor allem in den durch größere Flussauen beeinflussten Landesteilen des Tief- und Hügellandes wieder eine häufige Libellenart. Entwicklungsnachweise aus Stillgewässern liegen vor allem aus Bergbaugewässern in Westsachsen vor. Die Besiedlung der Mittelgebirgsflüsse wird teilweise durch die Verringerung der Fließgeschwindigkeit und die damit verbundene Erhöhung der Wassertemperatur im Rückstaubereich von Wehren begünstigt (Potamalisierung der Fließgewässer).

Regionales Vorkommen

  • Oberes Elbtal/Osterzgeb.: Nachweis ab 1980
  • Oberlausitz/Niederschles.: Nachweis ab 1980
  • Westsachsen: Nachweis ab 1980

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Naturraumkarte

Naturraumkarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Erläuterung Phänologie

Aufgrund der mehrjährigen Larvalzeit sind ganzjährig Larven in den Entwicklungsgewässern anzutreffen. Sie reagieren im Winterhalbjahr besonders empfindlich auf Eingriffe in das Gewässer, da sie temperaturbedingt nur eingeschränkt bewegungs- und reaktionsfähig sind. Starke Feinsedimentfracht im Winterhalbjahr kann potenziell zum Ausfall der Darmatmung und nachfolgendem Ersticken der Larven führen. Gomphus vulgatissimus ist eine typische Frühjahrsart, die innerhalb weniger Wochen ab Ende April/Anfang Mai schlüpft. Der Zeitpunkt des Schlupfes ist jedoch von der Wassertemperatur abhängig und kann an kalten Gewässern auch erst im Juni liegen.

Lebensraum


Fortpflanzungsstätten: Die Art reproduziert in Sachsen überwiegend in sommerwarmen Bächen und Flüssen. Optimalhabitate zeichnen sich durch Besonnung, strukturreiche Sohlsubstrate und Uferfluren mit einem hinreichenden Angebot an Sitzwarten für die Imagines aus. Besiedelte Stillgewässer sind ausdauernd, meist nährstoffarm und weisen häufig Grundwassereinfluss und lockere, sandig-kiesige Sohlsubstrate mit nur geringer Schlammbedeckung auf. Die Larven leben eingegraben in den Sohlsubstraten, in Fließgewässern meist in strömungsberuhigten Bereichen und sind bei Eingriffen in die Sohlstruktur der Gewässer stark verdriftungsgefährdet. Strukturreiches (Halb-)Offenland, Gehölzbestände, seltener auch Gärten und Parks im Umfeld von mindestens 100 m zum Gewässerufer sind obligate Bestandteile der Fortpflanzungsstätten.

Jagd- und Ruhestätten: Als Reife- und Jagdhabitate dienen Wälder, aber auch besonnte Wiesen und Hochstaudenfluren, Waldlichtungen, Wegränder etc. mit Reichtum an Kleininsekten im Abstand bis zu 1000 m von den Reproduktionsgewässern. Als Ruhestätten nutzen die Imagines häufig windgeschützte Gras- und Staudenfluren, Waldränder, aber auch den Kronenbereich von Wäldern im Bereich der bevorzugten Jagdhabitate.

Hinweise zur Abgrenzung von Populationen: Regionale Abstufung unterhalb der Ebene Landkreis, z. B. Strecke eines relativ homogenen Fließgewässerabschnittes

Habitatkomplexe

  • Bergbaubiotope
  • Fließgewässer, Quellen
  • Stillgewässer inkl. Ufer

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Bergbaubiotope
  • Fließgewässer, Quellen
  • Stillgewässer inkl. Ufer

Ökologische Charakterisierung

  • Fließgewässer
  • Gewässer mit besonderer Struktur

Höhenstufen

  • collin
  • planar

Management


Beurteilung

Aus dem gegenwärtigen positiven Bestandstrend lässt sich kein Bedarf überregionaler, über den allgemeinen Lebensraumschutz hinausgehender Schutzkonzepte ableiten. Lokal ist eine Förderung der Art durch Verbesserung der Gewässerstrukturgüte (inkl. Minimierung von Gewässerunterhaltungsmaßnahmen und Förderung von Gewässerdynamik), Vermeidung von Stoff- und Sedimenteinträgen aus dem Umland und Vermeidung einer vollständigen Beschattung der Gewässer möglich.

Management

Schutz durch allgemeinen Schutz der Lebensräume.

Zentrales Medium für die Sammlung von Artdaten in der Naturschutzverwaltung des Freistaates Sachsen ist die Zentrale Artdatenbank beim LfULG: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/8048.htm; Aktuelle Übersichtskarten der Verbreitung von Arten in Sachsen können unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/ida

Gefährdungen


Die positive Bestandsentwicklung der letzten Jahrzehnte ist vermutlich überwiegend ein Ergebnis der gesunkenen Abwasserbelastung der Fließgewässer. Lokal profitierte die Art zusätzlich von Renaturierungsmaßnahmen und einer Verbesserung der Gewässerstrukturgüte. Aufgrund der starken strukturellen Defizite der Mehrzahl der mittleren und größeren Fließgewässer entsprechen die Populationsgrößen überwiegend noch nicht den Naturraumpotenzialen. An Flüssen ist eine Gefährdung schlüpfender Tiere durch Wellenschlag infolge von Boots- oder Schiffsverkehr möglich, während sich an Stillgewässern Badebetrieb negativ auf das Überleben der Larven auswirken kann.

Hauptgefährdungsursachen der Art sind: 

  • Gewässerausbau und –regulierung 
  • intensive Gewässerunterhaltung (Entkrautung, Beräumung, Böschungspflege) 
  • starke Beschattung durch Uferbepflanzung

Sonstiges


Literatur

Günther, A., M. Olias & T. Brockhaus (2006): Rote Liste Libellen Sachsens. – Materialien zu Naturschutz und Landschaftspflege 2006, hrsg. vom Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie, Dresden, 20 S.

Ott, J. & W. Piper (1998): Rote Liste der Libellen (Odonata). – In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands. – Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 55: 260–263.

Sternberg, K., Höppner, B.; Heitz, A.; Heitz, S. & B. Schmidt (2000): Gomphus vulgatissimus (Linnaeus, 1758) Gemeine Keiljungfer. In: Sternberg, K. & R. Buchwald (Hrsg.): Die Libellen Baden-Württembergs. Band 2. – Eugen Ulmer, Stuttgart: 310–326.

Suhling, F. & O. Müller (1996): Die Flußjungfern Europas. Gomphidae. - Die Neue Brehm-Bücherei 628. Westarp, Magdeburg.

Voigt, H. & T. Brockhaus (2005): Gemeine Keiljungfer Gomphus vulgatissimus (Linnaeus, 1758) – In: Brockhaus, T. & U. Fischer (Hrsg.): Die Libellenfauna Sachsens. – Natur & Text, Rangsdorf: 138-142.

Wildermuth, H. & A. Martens (2014): Taschenlexikon der Libellen Europas. Alle Arten von den Azoren bis zum Ural im Porträt. –Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim.

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG; Stand: 7.12.2015; Bearbeiter: Dr. André Günther und Marko Olias (Naturschutzinstitut Freiberg); Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: Heiner.Blischke@smul.sachsen.de

Legende zum Artensteckbrief unter: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22872.htm; Informationen zur Artengruppe für Sachsen: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22988.htm