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Gryllus campestris (Linnaeus, 1758) / Feldgrille (Sachsen)

Synonyme


Liogryllus campestris

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Rote Liste Deutschland:* (derzeit keine Gefährdung)
Rote Liste Sachsen:3 (gefährdet)

Allgemeine Arteninformationen


Kennzeichen

Die Feldgrille ist die größte heimische Echte Grille (Gryllidae) und erreicht eine Körperlänge von 20-26 mm. Der gedrungene, walzenförmige Körper ist glänzend schwarz, die Hinterschenkel sind unterseits intensiv rot gefärbt. Die Flügel sind bräunlich mit gelblicher Basis. Aufgrund ihrer Größe, Färbung und der Lebensweise in selbstgegrabenen Wohnröhren gut kenntlich, am ehesten sind Verwechselungen von Feldgrillen-Larven mit Imagines anderer Grillenarten (z. B. Waldgrille Nemobius sylvestris) möglich.

Biologie und Ökologie

Die Feldgrille ist eine Charakterart trockenwarmer, extensiv genutzter Offenlandstandorte. Während sich die kleinen Larvenstadien im Frühsommer häufig unter Steinen, Totholz etc. aufhalten, beziehen die Tiere ab Spätsommer selbstgegrabene Wohnröhren, die heftig gegen Eindringlinge verteidigt werden. Der Gesang der Männchen dient sowohl der Revierverteidigung, als auch dem Anlocken der Weibchen. Die Weibchen suchen gezielt Männchen zur Paarung auf. Die Weibchen legen ihre Eier ebenfalls in selbst gegrabene Höhlen. Feldgrillen überwintern in Mitteleuropa im vorletzten oder letzten Larvenstadium. Die Art ist überwiegend herbivor, frisst aber auch kleine Insekten und Kadaver. In Mitteleuropa sind starke Wechsel der Abundanz zwischen verschiedenen Jahren der Normalfall. Meteorologisch normale Sommer genügen nach Detzel (1998) in vielen Teilen Deutschlands nicht für eine Bestandserhaltung und führen zu Rückgängen. Dagegen kann sich nach trockenwarmen Sommern die Individuenzahl von einem Jahr zum nächsten verhundertfachen. Um ein mittelfristiges Überleben einer Population zu gewährleisten, sind auch bei guten Bedingungen minimale Flächengrößen von mehreren Hektar notwendig. Da die Art nicht flugfähig ist, ist für einen Populationsaustausch oder die Neubesiedlung von Flächen ein direkter Habitatverbund erforderlich. Bei geringen Populationsdichten ist die Ausbreitungsfähigkeit sehr gering. Bei hohen Individuendichten bestehen gute Besiedlungspotenziale für direkt angrenzende Lebensräume.

Überregionale Verbreitung

Vom Mittelmeerraum über Südeuropa bis in den Kaukasus verbreitet. Die nördliche Verbreitungsgrenze verläuft von Südengland über die Nord- und Ostseeküste bis in den äußersten Süden Litauens. Verbreitung europäisch-nordafrikanisch-westasiatisch.

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

ungünstig-unzureichend

Hinweise Erhaltungszustand

Die gutachterliche Einstufung in ungünstig-unzureichend erfolgt aufgrund der aktuellen Gefährdung der Art in Sachsen und der ungünstigen Zukunftsperspektive infolge aktueller Trends in der Offenlandnutzung. Besonders negativ wirken sich der Verlust von Stilllegungsflächen und der Grünlandumbruch zugunsten des Anbaus von Energiepflanzen aus.

Prüfung und Erfassung


Einstufung nach F+E-Projekt Artenschutzkonzeption 2012

Allgemeine Maßnahmen in Lebensräumen, Priorität 3 (mittlere)

Untersuchungsstandards

Der Erfassung der Feldgrille erfolgt am zweckmäßigsten akustisch im Zeitraum Mitte Mai bis Ende Juni. Bei warmer, trockener Witterung singen die Männchen vom späten Vormittag bis tief in die Nacht. Zur Erfassung sollten mindestens eine Tag- und eine Nachtbegehung bei günstiger Witterung an sonnigen Tagen erfolgen. Feldgrillen, vor allem Larvenstadien, sind regelmäßig als Beifänge in Bodenfallen zu finden.

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Nachweisabsicherung

Nein

Langfristiger Bestandstrend

  • mäßiger Rückgang
  • starker Rückgang

Kurzfristiger Bestandstrend

gleichbleibend

Bestand

Die Feldgrille ist in Sachsen eine mäßig häufige Art der planaren und collinen Höhenstufe. Entsprechend der Bevorzugung sandiger Böden bildet das Sächsisch-Niederlausitzer Heideland den Verbreitungsschwerpunkt der Art. Besonders im Bereich der Lößgefilde und der unteren Bergländer hat die Art seit Mitte des 20. Jahrhunderts starke Arealverluste hinnehmen müssen, die aufgrund der unzureichenden Datenlage aber nicht quantifiziert werden können. In den stark ackerbaulich geprägten Landschaften der Gefildezone ist die Feldgrille zunehmend auf Sonderstrukturen wie Abgrabungen und Deiche oder verbliebene Reste von Extensivgrünland und Streuobstwiesen beschränkt. Durch die von Jahr zu Jahr sehr starken Abundanzschwankungen werden quantitative Einschätzungen erschwert. Besonders für kleine und isolierte Populationen besteht ein hohes Aussterberisiko in Jahren mit nassen Sommern. Für die nicht flugfähige Feldgrille besitzen die Deiche entlang der Flüsse und extensiv genutzte Straßenböschungen aktuell eine hohe Bedeutung für die Populationsvernetzung.

Regionales Vorkommen

  • Chemnitz/Ob. Erzgebirge: Nachweis ab 1980
  • Oberes Elbtal/Osterzgeb.: Nachweis ab 1980
  • Oberlausitz/Niederschles.: Nachweis ab 1980
  • Westerzgebirge/Vogtland: Nachweis ab 1980
  • Westsachsen: Nachweis ab 1980

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Naturraumkarte

Naturraumkarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Lebensraum


Feldgrillen bewohnen überwiegend trockenwarme, häufig südexponiert geneigte Offenlandlebensräume. Bevorzugt werden sandige Böden, die Art ist aber auch regelmäßig auf Löß- und Kalkböden anzutreffen. Neben Trocken- und Halbtrockenrasen können auch Frisch- und Feuchtwiesen besiedelt werden, wenn trockenwarme Kleinstrukturen (z. B. Schwemmsandablagerungen) integriert sind. In Sachsen besiedeln Feldgrillen aktuell besonders trockenwarmes Extensivgrünland sowie Streuobstwiesen, Heiden, Böschungen und Deiche.

Fortpflanzungs- und Ruhestätten: Entsprechen aufgrund der geringen Mobilität dem Jahreslebensraum.

Hinweise zur Abgrenzung von Populationen: regionale Abstufung unterhalb der Ebene Landkreis Da die Tiere nicht flugfähig sind, sollten jeweils direkt miteinander vernetzte Vorkommen als eine Population aufgefasst werden: z. B. Abgrabungsgebiet, Wiesenkomplex etc.

Habitatkomplexe

  • Äcker und Sonderkulturen
  • Bergbaubiotope
  • Grünland, Grünanlagen
  • Heiden, Magerrasen

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Äcker und Sonderkulturen
  • Bergbaubiotope
  • Grünland, Grünanlagen
  • Heiden, Magerrasen

Ökologische Charakterisierung

  • Offene Landschaft, mittlere Habitate
  • Offene Landschaft, trockene Habitate

Höhenstufen

  • collin
  • planar

Management


Beurteilung

Seit Schiemenz (1966) hat die Art offensichtlich besonders in der collinen Zone starke Arealverluste zu verzeichnen, die unzweifelhaft auf die Intensivierung der Landwirtschaft zurückzuführen sind. Besonders betroffen sind die intensiv ackerbaulich genutzten Gebiete der Lößgefilde und der Mittelgebirgsvorländer. Aktuell ist die Feldgrille nur noch in Teilen des Sächsisch-Niederlausitzer Heidelandes, der Dresdener Elbtalweitung und Waldenburg-Peniger und Rochlitzer Muldelandes weit verbreitet und lokal häufig. Besonders problematisch ist die zunehmende Fragmentierung der Populationen der flugunfähigen Art in Kombination mit starken jährlichen Schwankungen der Populationsgröße. Hier wirken sich besonders der Verlust und die zunehmende Beeinträchtigung von Rainen sowie Weg- und Straßenrändern aus. Grundsätzlich geeignete, aber isoliert liegende Lebensräume können nach Aussterben der Art infolge von witterungsbedingten Bestandsabnahmen in günstigen Jahren nicht wiederbesiedelt werden. Entlang der größeren Flüsse übernehmen heute teilweise Deiche eine Vernetzungsfunktion für Metapopulationen.

Management

Schutz durch allgemeinen Schutz der Lebensräume: 

  • Erhalt, Entwicklung und Vernetzung von Extensivgrünland und Streuobstwiesen 
  • Berücksichtigung der Habitatansprüche der Art bei der Rekultivierung von Abbaugebieten (z. B. Entwicklung magerer, südexponierter Böschungen ohne Gehölzpflanzung/-aufwuchs) 
  • konzeptionelle Planungen zur Verbesserung der Vernetzungsfunktion von Saumstrukturen (Böschungen an Straßen, Wegen und Gleisanlagen, Deiche etc.) 
  • Entwicklung dauerhafter gehölzarmer Saumstrukturen in der Agrarlandschaft (Ackerrandstreifen, Kurzzeitbrachen und Gehölzreihen können die Art nicht fördern)

 

Zentrales Medium für die Sammlung von Artdaten in der Naturschutzverwaltung des Freistaates Sachsen ist die Zentrale Artdatenbank beim LfULG: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/8048.htm; Aktuelle Übersichtskarten der Verbreitung von Arten in Sachsen können unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/ida

Gefährdungen


Hauptgefährdungsursache ist die Veränderung der Offenlandnutzung mit folgenden Wirkfaktoren: 

  • Verlust von Halbtrocken- und Trockenrasen durch Nutzungsintensivierung, Brachfallen oder Aufforstung 
  • Verlust bzw. Eutrophierung von grasdominierten Saumstrukturen 
  • Aufforstung von Grenzertragsstandorten 
  • Sukzession und Nährstoffakkumulation in Heideflächen 
  • Deichsanierung 
  • Störung der Metapopulationsstrukturen durch zunehmende Fragmentierung und Isolation der einzelnen Populationen (Verringerung der Wiederbesiedlungspotenziale nach lokalem Aussterben, vgl. Lebensweise)

Sonstiges


Literatur

  • Detzel, P. (1998): Die Heuschrecken Baden-Württembergs. - Verlag Eugen Ulmer Stuttgart. 580 S.
  • Detzel, P. & Maas, S. (2004): Verantwortlichkeit Deutschlands für den Erhalt von Heuschreckenarten. In: Gruttke, H. (Bearb.): Ermittlung und Verantwortlichkeit für die Erhaltung mitteleuropäischer Arten: Referate und Ergebnisse des Symposiums. Landwirtschaftsverlag, Münster, Naturschutz und biologische Vielfalt 8, S. 161 - 172.
  • Ingrisch, S. & Köhler, G. (1998): Die Heuschrecken Mitteleuropas. Westarp Wissenschaften, Magdeburg, Neue Brehm-Bücherei 629, 460 S.
  • Klaus, D. & Matzke, D. (2010): Heuschrecken, Fangschrecken, Schaben und Ohrwürmer. Rote Liste und Artenliste Sachsens. - Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie, Dresden, 36 S.
  • Maas, S.; Detzel, P. & Staudt, A. (2002): Gefährdungsanalyse der Heuschrecken Deutschlands. Verbreitungsatlas, Gefährdungseinstufung und Schutzkonzepte. Bonn-Bad Godesberg, 401 S.
  • Pfeiffer, M. A. (2011): Feldgrille - Gryllus campestris Linnaeus, 1758. In: Pfeiffer, M. A.; Niehuis, M. & Renker, C. (Hrsg.): Die Fang- und Heuschrecken in Rheinland-Pfalz. GNOR Mainz: 319-326.
  • Schiemenz, H. (1966): Die Orthopterenfauna von Sachsen. - Faunistische Abhandlungen, Staatliches Museum für Tierkunde Dresden 1(7, 29), S. 337 - 366 + 5 Karten.

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Stand: 25.11.2015
Bearbeiter: Dr. André Günther und Marko Olias (Naturschutzinstitut Freiberg)
Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: Holger.Lueg@smul.sachsen.de

Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22872.htm
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22988.htm