Leucorrhinia dubia (Vander Linden, 1825) / Kleine Moosjungfer

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:BG (besonders geschützt)
Rote Liste Deutschland:3 (gefährdet)
Rote Liste Sachsen:3 (gefährdet)

Allgemeine Arteninformationen


Kennzeichen

Mittelgroße, relativ zierliche Segellibelle mit weißer Stirn, wie sie für die Gattung Leucorrhinia typisch ist. Körperfärbung im Grundton schwarz, bei Männchen mit roter Zeichnung, bei unausgefärbten Tieren und Weibchen dagegen mit gelber Zeichnung. Beide Geschlechter besitzen auf den Hinterleibssegmenten auffallende große Flecken, die bei ausgefärbten Männchen intensiv rot gefärbt sein können. Bei beiden Geschlechtern können die Flecken in fortgeschrittenem Alter stark nachdunkeln und sind dann weniger auffällig.

Sehr ähnlich ist die etwas größere Nordische Moosjungfer (L. rubicunda). Im Unterschied zu dieser ist das Flügelmal der Männchen von L. dubia schwarz (bei rubicunda rot), die Hinterleibsflecken sind durchschnittlich kleiner, sie nehmen nur wenig mehr als die halbe Segmentlänge ein (bei rubicunda deutlich länger als die Hälfte).

Die Exuvien von L. dubia besitzen fast immer eine auffallende Zeichnung aus drei breiten, parallelen Längsstreifen auf der Unterseite des Hinterleibs, die in dieser Form bei keiner anderen Segellibelle vorhanden ist. Diese Zeichnung fehlt nur relativ selten, dann ist die Verwechslungsgefahr mit Exuvien von L. rubicunda sehr hoch. Beide Arten unterscheiden sich zwar in der Größe (dubia-Exuvien sind meist kleiner) sowie in Anzahl und Form der Rückendornen (bei dubia mehr und längere Dornen), die Unterschiede sind jedoch nur bei direktem Vergleich mehrerer Exuvien bzw. nur bei höherer Vergrößerung erkennbar.

Biologie und Ökologie

Leucorrhinia dubia ist eine typische Art oligo- bis mesotropher, meist saurer Gewässer mit flutenden Torfmoosen oder Braunmoosen (v. a. Drepanocladus spp.), gelegentlich auch flutenden Matten der Zwiebel-Binse (Juncus bulbosus) und fehlendem oder kleinem Fischbestand. Die Larven der Art leben hauptsächlich in den dichten Moosbeständen. Je nach Temperaturanspruch und -toleranz wechseln sie hier in verschiedene Tiefen und an unterschiedlich stark besonnte Stellen. Die Larven sind extrem empfindlich gegenüber Fischfraß. Eine Koexistenz mit Fischen ist nur dann möglich, wenn ausreichende Rückzugsräume in Form dichter Moosrasen vorhanden sind. Gegenüber Austrocknung der Larvallebensräume sind die Larven empfindlich, vorübergehende Trockenheit von wenigen Tagen können sie jedoch in nässehaltendem Substrat überleben. Trocknet das Substrat aus, sterben die Larven ab. Auch ein Durchfrieren des Larvenhabitats führt zum Tod der Larven. Vermutlich ist eine dicke Torfschlammschicht am Gewässergrund als frostfreier Überwinterungsort notwendig. Die Larvenentwicklung ist meist nach 2 Jahren abgeschlossen, kann aber auch bis 4 Jahre dauern. Der Schlupf erfolgt an den Gewässern überwiegend synchron. Die meisten Imagines schlüpfen innerhalb weniger Tage. Geraten sie zu diesem Zeitpunkt in eine anhaltende Schlechtwetterperiode, kann ein Großteil der Individuen eines Jahrganges verkrüppeln oder noch vor Einsetzen der Fortpflanzungsaktivitäten verhungern.

Die Mobilität der Imagines ist individuell unterschiedlich, etwa 50 % der geschlüpften Imagines kehren nach der Reifephase an das Schlupfgewässer zurück. An markierten Imagines wurden Wanderleistungen von über 2 km nachgewiesen. Das Vermögen der Art zur Besiedlung neuer Habitate wird jedoch als nicht sehr hoch eingeschätzt, unter den europäischen Leucorrhinia-Arten besitzt L. dubia wahrscheinlich das geringste Ausbreitungsvermögen.

Die Imagines sind nur bei Sonnenschein aktiv. Männchen halten sich auf der Suche nach Weibchen am Gewässerufer auf und setzen sich meist auf exponierten Halmen oder Ästen am Rand oder über der Wasserfläche ab. Sie besetzen aber nur bei geringer Individuendichte feste Reviere, die gegenüber anderen Segellibellen durch Angriffsflüge verteidigt werden. Nach erfolgter Kopulation beginnen die Weibchen sofort mit der Eiablage und werden in der Anfangszeit noch vom zugehörigen Männchen bewacht. Die Eier werden über flutenden Torfmoosrasen, seltener ins offene Wasser abgegeben. Nach 20–24 Tagen schlüpfen die Junglarven, sie besiedeln sofort die oberen Schichten der flutenden Moospolster.

Überregionale Verbreitung

Eurosibirische Art mit schwerpunktmäßig nördlicher Verbreitung. Von den Pyrenäen über Nord-, Mittel- und Osteuropa bis Sibirien, wo sich das Areal von L. orientalis Sélys, 1887 anschließt, die manchmal nur als Unterart von L. dubia gewertet wird. In Europa vom südlichen Alpenrand bis fast zum Nordkap (ca. 70 Grad nördliche Breite) vorkommend, auf den Britischen Inseln ist sie zerstreut, fehlt aber in Irland.

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

günstig (Gutachterliche Bewertung)

Hinweise Erhaltungszustand

Im sächsischen Bergland und den Heide- und Moorgebieten existieren aktuell stabile Populationen. Abweichend hierzu müssen die wenigen isolierten, oftmals individuenarmen Vorkommen in den Lössgebieten und in Nordwestsachsen in ihrem Fortbestand als gefährdet angesehen werden.

Prüfung und Erfassung


Einstufung nach F+E-Projekt Artenschutzkonzeption 2012

Management in Natura 2000-Gebieten, Priorität 3 (mittlere)

Untersuchungsstandards

Die Emergenz beginnt in Abhängigkeit vom Witterungsverlauf etwa Mitte Mai. Die meisten Individuen schlüpfen synchron innerhalb weniger Tage, danach kommen nur noch unregelmäßig wenige Einzeltiere zur Emergenz. An gut zugänglichen Gewässern lässt sich durch Absammeln der Exuvien an 3 Begehungstagen von Mitte Mai bis Mitte Juni eine ungefähre Abschätzung der Anzahl geschlüpfter Imagines vornehmen. Bei 1–2 weiteren Begehungen von Ende Juni bis Ende Juli sollte auf Fortpflanzungsaktivitäten und eierlegende Weibchen geachtet werden. Der Nachweis einzelner Tiere am Gewässer, auch eierlegender Weibchen, sollte nur als mögliche Reproduktion (Status B) gewertet werden. Bei mehreren Individuen mit Paarungs- und Eiablageverhalten kann die Reproduktion als wahrscheinlich (Status C) angesehen werden, erst beim Nachweis schlupfreifer Larven, Emergenz oder Exuvien gilt die Reproduktion als nachgewiesen (Status D).

Um Verwechslungen mit L. rubicunda zu vermeiden, sollte die Bestimmung, wenn möglich, nach dem Fang von Individuen anhand von Genitalmerkmalen abgesichert werden.

Das Betreten von sensiblen Uferzonen der Moorgewässer bei der Kartierung sollte vorsichtig und unter Minimierung von Vegetationsschäden erfolgen.

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Langfristiger Bestandstrend

mäßiger Rückgang

Kurzfristiger Bestandstrend

gleichbleibend

Bestand

Sachsen wird von der Ebene bis in die höchsten Gebirgslagen besiedelt, jedoch mit regional unterschiedlicher Häufigkeit. Eine hohe Dichte an Vorkommen findet man im mittleren und oberen Bergland sowie in den Heide- und Moorgebieten des ostsächsischen Hügel- und Tieflands. In den Lössgefilden, in der Leipziger Tieflandsbucht und im Elbtal existieren dagegen nur wenige isolierte Populationen. In Nordwestsachsen stellt der Naturraum der Düben-Dahlener Heide einen regionalen Verbreitungsschwerpunkt dar.

Regionales Vorkommen

  • Chemnitz/Ob. Erzgebirge: Nachweis ab 1980
  • Oberes Elbtal/Osterzgeb.: Nachweis ab 1980
  • Oberlausitz/Niederschles.: Nachweis ab 1980
  • Westerzgebirge/Vogtland: Nachweis ab 1980
  • Westsachsen: Nachweis ab 1980

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Lebensraum


Fortpflanzungsstätten: Meist an Moorgewässern (Torfstiche, Moorkolke und -gräben) sowie an strukturreichen, oligo- bis mesotrophen Teichen oder Abgrabungsgewässern. Optimale Fortpflanzungsgewässer sind überwiegend besonnt, fischfrei oder besitzen stark bewachsene Randzonen, in denen die Prädation durch Fische gemindert ist. Die meisten Gewässer besitzen einen niedrigen pH-Wert und verfügen über Schwingrasen oder frei im Wasser flutende Torf- oder Braunmoosdecken. Zur erfolgreichen Überwinterung der frostempfindlichen Larven dürfen die Gewässer nicht durchfrieren, sie müssen eine ausreichende Wassertiefe und eine möglichst dicke Torfschlammauflage am Gewässergrund aufweisen. Am Ufer sollten wenigstens abschnittsweise Seggen-, Wollgras- oder Binsenbestände vorhanden sein, die als Schlupfort während der Emergenz und als Rendezvousplatz der paarungsbereiten Imagines notwendig sind.

Ruhe- und Jagdstätten: Die Ruhe- und Jagdstätten liegen im Gewässerumfeld bis zu wenigen Hundert Metern entfernt. Sie umfassen strukturreiche, besonnte Habitate wie Waldränder, Waldwege, Lichtungen, Zwergstrauchheiden, Staudenfluren, Brachen, Nasswiesen und ähnlich strukturierte nahrungsreiche Flächen.

Hinweise zur Abgrenzung von Populationen: regionale Abstufung unterhalb der Ebene Landkreis (Teichgruppe, Abbaugewässer, Moorgebiet)

Habitatkomplexe

  • Bergbaubiotope
  • Gehölze, Baumbestand
  • Moore
  • Stillgewässer inkl. Ufer
  • Wälder

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Bergbaubiotope
  • Moore
  • Stillgewässer inkl. Ufer

Ökologische Charakterisierung

  • Gewässer
  • Gewässer mit besonderer Struktur
  • Moore
  • Moorgewässer
  • Standgewässer
  • Ufer

Höhenstufen

  • collin
  • montan
  • planar

Management


  • Berücksichtigung der Art im Rahmen von FFH-Managementplanungen (Moorgebiete)
  • Minimierung von Stoffeinträgen und Gewährleistung eines funktionsfähigen Wasserhaushaltes in Moorgebieten (Wasserrückhaltung durch Grabenverschluss)
  • Extensive Teichwirtschaft, Erhalt strukturreicher besonnter Gewässer mit ausgeprägten Verlandungsbereichen, Verzicht auf Kalkung von sauren Gewässern
  • Pflege bzw. Neuanlage fischfreier Kleingewässer in der Umgebung von Mooren, in ehemaligen Abbaugebieten usw.
Zentrales Medium für die Sammlung von Artdaten in der Naturschutzverwaltung des Freistaates Sachsen ist die Zentrale Artdatenbank beim LfULG: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/8048.htm; Aktuelle Übersichtskarten der Verbreitung von Arten in Sachsen können unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/ida

Gefährdungen


  • Verlanden von Handtorfstichen und kleinen Moorgewässern
  • Entwässerung von Moorgebieten und Eutrophierung nährstoffarmer Gewässer
  • erhöhter Fischbesatz und intensive fischereiliche Nutzung von Gewässern einschließlich Kalkung und Entkrautung
  • Entwertung ursprünglich fischfreier (Abbau-)gewässer durch Fischbesatz und Nutzung zu Angelzwecken

Sonstiges


Literatur

  • Günther, A., M. Olias & T. Brockhaus (2006): Rote Liste Libellen Sachsens. – Materialien zu Naturschutz und Landschaftspflege 2006, hrsg. vom Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie, Dresden, 20 S.
  • Ott, J. & W. Piper (1998): Rote Liste der Libellen (Odonata). In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands. – Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 55: 260–263.
  • Sternberg, K. (2000): Leucorrhinia dubia (Vander Linden, 1825) Kleine Moosjungfer. In: Sternberg, K. & R. Buchwald (Hrsg.) (2000): Die Libellen Baden-Württembergs. Band 2: Großlibellen (Anisoptera). – Ulmer, Stuttgart: 403–415.
  • Voigt, H. (2005): Kleine Moosjungfer Leucorrhinia dubia (Vander Linden, 1825). – In: Brockhaus, T. & U. Fischer (Hrsg.): Die Libellenfauna Sachsens. – Natur & Text, Rangsdorf : 290–293.

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG; Stand: 10.02.2014; Bearbeiter: Marko Olias und Dr. André Günther (Naturschutzinstitut Freiberg); Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: Heiner.Blischke@smul.sachsen.de

Legende zum Artensteckbrief unter: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22872.htm; Informationen zur Artengruppe für Sachsen: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22988.htm