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Orthetrum brunneum (Fonscolombe, 1837) / Südlicher Blaupfeil (Sachsen)

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:BG (besonders geschützt)
Rote Liste Deutschland:* (derzeit keine Gefährdung)
Rote Liste Sachsen:G (Gefährdung anzunehmen)

Allgemeine Arteninformationen


Kennzeichen

Mittelgroße Segellibelle. Ausgefärbte Männchen besitzen eine hellblaue Wachsbereifung an Brust und Abdomen. Verwechslungsgefahr besteht mit anderen Blaupfeilarten, besonders mit dem Kleinen Blaupfeil (O. coerulescens), der im Alter ebenfalls eine blaue Bereifung der Brust aufweisen kann (ausgeprägt bei südlichen Populationen). Männchen von O. brunneum sind jedoch durch eine hellblau-weißliche Färbung der Stirn und ein rotbraunes Flügelmal von 2–3 mm Länge gekennzeichnet (bei coerulescens ockergelb und 3–4 mm lang). Weibchen sind eher unauffällig braun gefärbt. Wichtige Unterschiede zu anderen Blaupfeilarten liegen in der Zelladerung und der Ausbildung der äußeren Genitalien. Die Bestimmung von Larven und Exuvien ist im Gelände nicht sicher möglich. Sie sind sehr ähnlich dem Kleinen Blaupfeil.

Biologie und Ökologie

Orthetrum brunneum ist eine Pionierart an oftmals vegetationsarmen, besonnten, flachen Standgewässern und leicht fließenden Bächen, Kanälen, Gräben und Rinnsalen, die sich in überwiegend offenen, thermisch begünstigten Landschaftsteilen befinden. In Mitteleuropa sind dies meist anthropogen entstandene Lebensräume, typischerweise bieten sie der Art nur für eine kurze Zeit optimale Habitatbedingungen.

Imagines fliegen an vegetationslosen bis -armen Uferabschnitten mit sich schnell erwärmenden offenen Bodenstellen (z. B. Kies-/Schotterflächen, Trittstellen, Betonplatten an befestigten Gräben, Felsen), die zum Sonnen genutzt werden. Die Eier werden vom Weibchen über den flachen Gewässergrund an fast unbewachsenen Stellen weit verstreut abgeworfen. Die Prolarven schlüpfen nach 4–5 Wochen. Die Larven leben an besonnten Stellen in seichtem, manchmal nur wenige Zentimeter tiefen Wasser, je nach Angebot in submersem Detritus und Pflanzenteilen oder direkt im vegetationslosen Sediment. Sie bevorzugen stark erwärmte Wasserschichten und können sich auch an der Wasseroberfläche auf Algenwatten oder Pflanzenpolstern sitzend aufhalten. Generell weisen die Larvenhabitate sehr starke Tages- und Jahresschwankungen in der Temperatur und im Sauerstoffangebot auf, mit denen die Larven zurechtkommen müssen. Die Imagines schlüpfen in Mitteleuropa nach meist zwei-, seltener einjähriger Entwicklungszeit.

Das Ausbreitungsvermögen der Pionierart ist sehr hoch. Regelmäßig gelingen Einzelfeststellungen von Tieren auch an kaum zur Reproduktion geeigneten Gewässern.

Überregionale Verbreitung

Über das gesamte Mittelmeergebiet und den Nahen Osten bis Kaschmir und zur Wüste Gobi verbreitet. Nördlich der Alpen tritt die Art allerdings nur lokal auf und wird in Richtung Norden immer seltener. Skandinavien und die Britischen Inseln sind bisher unbesiedelt.

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

ungünstig-unzureichend (Gutachterliche Bewertung)

Hinweise Erhaltungszustand

Die Art besiedelt in Sachsen fast ausschließlich Sekundärbiotope (v. a. Abgrabungsgebiete, Tagebaufolgelandschaften), die per se meist nur kurzlebig als Habitat geeignet sind, zusätzlich aber nutzungsbedingten Beeinträchtigungen (Rekultivierung, Verfüllung) unterliegen.

Prüfung und Erfassung


Verantwortlichkeit

unbearbeitet

Einstufung nach F+E-Projekt Artenschutzkonzeption 2012

Bestandserhebungen, Gefährdungsanalysen, Priorität 3 (mittlere)

Untersuchungsstandards

Bei der Erfassung von Reproduktionsgewässern müssen selbst vollständig technisch verbaute, vegetationslose Rinnsale und ganz flach überrieselte Flächen von wenigen Quadratmetern in Betracht gezogen werden, soweit sie eine permanente Wasserführung und durchgehende Besonnung aufweisen. Wegen der hohen Mobilität von Orthetrum brunneum und der Neigung, selbst an nicht oder nur sporadisch geeigneten Gewässern aufzutreten, ist die gezielte Ermittlung der Bodenständigkeit bzw. des Reproduktionserfolges wichtig.

Für eine effektive Erfassung werden mindestens 4 Begehungen empfohlen, davon mindestens 2 während der Schlupfzeit (Juni bis Mitte Juli) mit Suche nach frisch geschlüpften Imagines und Exuvien. Bei 1–2 weiteren Begehungen bis Ende August (ggf. Anfang September) sollte auf eierlegende Tiere geachtet werden. Imagines sind hauptsächlich bei voller Besonnung vom späten Vormittag bis frühen Nachmittag am Gewässer aktiv.

Von einzelnen Individuen beflogene Gewässer sind nicht automatisch als Reproduktionsgewässer anzusehen. Der Gewässerstatus ist über die Beobachtung mehrerer Tiere am gleichen Ort (Status B – Reproduktion möglich), beobachtete Eiablagen (Status C – Reproduktion wahrscheinlich) oder Funde von älteren Larvenstadien, Exuvien bzw. frisch geschlüpften Tieren (Status D – Reproduktion nachgewiesen) zu definieren.

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Langfristiger Bestandstrend

Daten ungenügend

Kurzfristiger Bestandstrend

gleichbleibend

Bestand

Im Tief- und Hügelland Sachsens zerstreut vorkommend mit Fundortkonzentrationen in den Braunkohle- und Kiesabbaugebieten. Generell kann überall, mit Ausnahme der höheren Gebirgslagen, mit dem kurzzeitigen Auftreten der Art gerechnet werden, sofern geeignete Lebensräume neu entstehen.

Regionales Vorkommen

  • Chemnitz/Ob. Erzgebirge: Nachweis ab 1980
  • Oberlausitz/Niederschles.: Nachweis ab 1980
  • Westerzgebirge/Vogtland: Nachweis ab 1980
  • Westsachsen: Nachweis ab 1980

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Lebensraum


Fortpflanzungsstätten: Primärhabitate stellen vermutlich Auentümpel und periodisch überstaute Flächen in den Auen der größeren Flüsse dar. Gegenwärtig ist die Art in Sachsen überwiegend in Sekundärbiotopen zu finden vor allem an Gräben und kleinen Gewässern in Kiesgruben und der Tagebaufolgelandschaft, außerdem an Regenrückhaltebecken, vegetationsarmen Gräben und Rinnsalen, selbst wenn diese einen starken technischen Verbau und fehlende Vegetation aufweisen. An Teichen werden meist die Abflussbereiche und -gräben mit stark erwärmtem Wasser besiedelt. Die Art fliegt als eine der wenigen Libellenarten auch an Gräben mit stärkerer Eisenockerausfällung und besiedelt als eine der ersten Pionierarten frisch totalberäumte Entwässerungsgräben.

Ruhe- und Jagdstätten: Jagd- und Ruhehabitate umfassen alle Typen von Offen- und Halboffenbiotopen im Umfeld, aber auch fernab der Gewässer. Wälder werden gemieden. Gern werden offene, voll besonnte, vegetationslose Stellen an Wegen, Gesteinsansammlungen, Rohbodenflächen und Lagerplätzen zum Sonnen genutzt.

Hinweise zur Abgrenzung von Populationen: regionale Abstufung unterhalb der Ebene Landkreis (z. B. Abbaugebiet, Grabensystem, Teichgruppe)

Habitatkomplexe

  • Bergbaubiotope
  • Fließgewässer, Quellen
  • Heiden, Magerrasen
  • Ruderalfluren, Brachen
  • Stillgewässer inkl. Ufer
  • Sümpfe, Niedermoore, Ufer

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Bergbaubiotope
  • Stillgewässer inkl. Ufer
  • Sümpfe, Niedermoore, Ufer

Ökologische Charakterisierung

  • Fließgewässer
  • Gewässer
  • Gewässer mit besonderer Struktur
  • Standgewässer
  • Ufer

Höhenstufen

  • collin
  • collin-montan
  • planar

Management


Beurteilung

Da die Art in Sachsen vorrangig in Ersatzlebensräumen vorkommt, ist die Abhängigkeit von diesen momentan sehr groß. Infolge von Sukzessionsprozessen nimmt die Habitateignung dieser Lebensräume natürlicherweise schnell ab. Maßnahmen, die diese Prozesse beschleunigen (Rekultivierung) oder gar zur Lebensraumzerstörung führen (z. B. Verfüllung der entstandenen Hohlformen), sollten deshalb vermieden werden.

Management

  • gezielte Entwicklung und Erhaltung naturnaher, flacher, besonnter Temporärgewässer in den Bergbaufolgelandschaften und anderen Abbauflächen
  • pflegliche Grabenunterhaltung, z. B. halbseitige Räumung, Verlängerung der Räumintervalle
  • Erhalt besonnter Gewässerabschnitte an Gräben und Fließgewässern durch partielles Entfernen beschattender Gehölze
  • Schaffung und Pflege von Gewässerrandstreifen als Schutz vor Stoffeinträgen (unter Beibehaltung besonnter Abschnitte)
  • Stabilisierung bzw. Wiederherstellung eines natürlichen/naturnahen Wasserhaushaltes und Förderung von Überschwemmungsgebieten in den Auen der größeren Flüsse (Deichrückbau, Deichrückverlegung)
 Zentrales Medium für die Sammlung von Artdaten in der Naturschutzverwaltung des Freistaates Sachsen ist die Zentrale Artdatenbank beim LfULG: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/8048.htm; Aktuelle Übersichtskarten der Verbreitung von Arten in Sachsen können unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/ida

Gefährdungen


  • Rekultivierung, Flutung und Verfüllung von Abbaugebieten
  • Vernichtung oder Beeinträchtigung der Gewässer infolge Grundwasserabsenkung,
  • Eutrophierung, Angelnutzung
  • vollständige Vegetations- und Sedimenträumung bei Grabenunterhaltungsmaßnahmen bzw. völliges Verwachsen von Gräben bei ausbleibender Unterhaltung
  • Veränderung des (Grund-)Wasserchemismus durch Stoffeinträge aus landwirtschaftlichen Nutzflächen
  • intensive fischereiliche Nutzung von Fischteichen einschließlich Kalkung und Entkrautung
  • Sukzession bzw. Nutzungsintensivierung von Offenflächen im Gewässerumfeld

Sonstiges


Literatur

  • Günther, A., M. Olias & T. Brockhaus (2006): Rote Liste Libellen Sachsens. – Materialien zu Naturschutz und Landschaftspflege 2006, hrsg. vom Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie, Dresden, 20 S.
  • Klaus, D. (2005): Südlicher Blaupfeil Orthetrum brunneum (Fonscolombe, 1837). – In: Brockhaus, T. & U. Fischer (Hrsg.): Die Libellenfauna Sachsens. – Natur & Text, Rangsdorf: 233–237.
  • Ott, J. & W. Piper (1998): Rote Liste der Libellen (Odonata). In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands. – Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 55: 260–263.
  • Sternberg, K. & R. Buchwald (2000): Orthetrum brunneum (Fonscolombe, 1837) Südlicher Blaupfeil. In: Sternberg, K. & R. Buchwald (Hrsg.) (2000): Die Libellen Baden-Württembergs. Band 2: Großlibellen (Anisoptera, Literatur). – Eugen Ulmer, Stuttgart: 477–492.

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG; Stand: 10.02.2014; Bearbeiter: Marko Olias und Dr. André Günther (Naturschutzinstitut Freiberg); Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: Heiner.Blischke@smul.sachsen.de

Legende zum Artensteckbrief unter: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22872.htm; Informationen zur Artengruppe für Sachsen: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22988.htm