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Phengaris teleius (Bergsträsser, 1779) / Heller Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Sachsen)

Synonyme


Glaucopsyche teleius, Großer Moorbläuling, Lycaena euphemus Hübner, 1800, Maculinea teleius Bergstässer, 1779

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:SG (streng geschützt)
FFH:FFH-II (Anhang II - Art der FFH-Richtlinie (1992)), FFH-IV (Anhang IV - Art der FFH-Richtlinie (1992))
Rote Liste Deutschland:2 (stark gefährdet)
Rote Liste Sachsen:1 ((akut) vom Aussterben bedroht)

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

Ob der neuerdings gültige Gattungsname Phengaris bestehen bleiben wird oder doch Maculinea beibehalten werden kann, wird gegenwärtig durch die Internationale Kommission für Zoologische Nomenklatur geprüft.

Kennzeichen

Falter klein bis mittelgroß, Vorderflügellänge 16 ... 17,5 mm. Unterseite der Flügel hell graubraun, ohne blaue Basalbestäubung. Im Saumfeld eine Reihe heller Flecke und weiter innen eine weitere Bogenreihe schwarzer, weiß geringter Flecke.

Biologie und Ökologie

Maculinea teleius-Weibchen legen mittels Legeröhre die Eier tief in die Blütenköpfe vom Großen Wiesenknopf ab. Es kann regionale Unterschiede geben (z. B. Ablage in noch grüne, seitenständige Köpfe). Pro Blütenkopf entwickelt sich aber nur eine Raupe (Unterschied zur Schwesterart M. nausithous), da sie kannibalisch lebt. Die Raupe ist größer als diejenige von M. nausithous und trägt Rückenborsten auf den Segmenten. Sie verlässt auch nach der 3. Häutung die Pflanze und muss von Myrmica scabrinodis (in geringerem Umfang auch von Myrmica rubra) gefunden werden. Es folgt eine Zeremonie, wobei ein Sekret von der Raupe abgegeben wird, das die Ameise aufnimmt. Im weiteren Verlauf wird die Raupe von der Ameise „gemolken“, d. h. zur weiteren Sekretabgabe gedrängt. Das kann längere Zeit bis zu mehreren Stunden dauern, dann richtet sich die Raupe auf (Nachahmung einer Ameisenbrut ?), in diesem Moment ergreift die Ameise und trägt sie ins Nest. Die Nester von Myrmica scabrinodis sind im Lebensraum von M. teleius meist recht klein. Wegen der räuberischen Lebensweise (Ernährung von Ameisenbrut) kann sich nur eine Raupe pro Nest entwickeln. Die allgemein standorttreue Art kann aber durchaus Distanzen vom wenigen km überbrücken, sie ist ausbreitungsfreudiger und flugkräftiger als ihre Schwesterart. Infolge ihrer höheren Ansprüche an die Habitatqualität kommt es trotz größerer Mobilität von Einzeltieren selten zum Austausch mit entfernter lebender Populationen. Die Art wird bezüglich Flächenanspruch für eine Überlebensfähigkeit von 30 Jahren in Klasse 1 (1 ha) eingestuft und bezüglich Populationsdichte in Klasse 2 .. 5 (16 ... 200/ha).

Überregionale Verbreitung

Die Art kommt von Mittel- und Südeuropa über den Kaukasus, dem mittleren und südlichen Ural, Sibirien und Kasachstan, der Mongolei, Teilen von China sowie in Korea und Japan vor. Europaverbreitung: Karte bei KUDRNA (2002): S. 200. In Deutschland wird sie nicht aus den Bundesländern SH, MV und ST gemeldet. Die Arealgrenze verläuft außerhalb unseres Gebietes im nördlichen Deutschland.

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

  • ungünstig-unzureichend
  • ungünstig-schlecht

Hinweise Erhaltungszustand

Pflegemaßnahmen müssen auch auf potenziellen Flächen durchgeführt werden (Metapopulation !)

Prüfung und Erfassung


Relevanz bei Eingriffen

  • Straßenbau
  • Wasserbau

Untersuchungsstandards

Kartier- und Bewertungsschlüssel; Genehmigungspflichten: Betreten NSG außerhalb von Wegen, bzw. Befahren der Wege im NSG. Nachweis: Fotodokumentation, auch vom Lebensraum.

Sonstige Arten-Attribute

  • Zielart Biotopverbund (Deutschland)

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Bemerkung zum Status

Möglichkeit zur Bildung von Metapopulation(en) beibehalten bzw. ausbauen/schaffen.

Nachweisabsicherung

Ja

Langfristiger Bestandstrend

sehr starker Rückgang

Kurzfristiger Bestandstrend

starke Abnahme

Bestand

Das Hauptvorkommen befindet sich in der Oberlausitz, vor allem im Neißetal. Reliktvorkommen gibt es bei Leipzig (Weiße Elster, Raum Borna), in der Dresdner Heide und im Osterzgebirge; im Erzgebirge ist eine Population 2006 neu entdeckt worden. An vielen noch vor wenigen Jahren besiedelten Standorten ist die Art verschwunden. Aktuelle Vorkommen fehlen in Südwestsachsen, die letzten Belege stammen aus Zwickau-Marienthal von Marschner vom 19.07.1959. Die aktuelle Rasterfrequenz für SN beträgt 6,7% (12 MTB).

Regionales Vorkommen

  • Chemnitz/Ob. Erzgebirge: Nachweis vor 1945
  • Oberes Elbtal/Osterzgeb.: Nachweis 1945 bis 1979
  • Oberlausitz/Niederschles.: Nachweis ab 1980
  • Westerzgebirge/Vogtland: Nachweis 1945 bis 1979
  • Westsachsen: Nachweis ab 1980

Verbreitung und Einbürgerung

Die beiden Maculinea-Arten nausithous und teleius waren ursprünglich in Sachsen annähernd gleich verbreitet und kamen meist sogar syntop vor. Möglicherweise ist die Wirtsameise von M. teleius empfindlicher gegenüber den jetzt üblichen Bewirtschaftungsformen, daher ist M. teleius im Nachteil. Die Wiesenameise Myrmica scabrionides ist empfindlich gegen Beschattung, daher toleriert sie keine Sukzession. Sie kommt auf nicht zu hochgrasigen Rasen- und Saumbiotopen vor.

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Erläuterung Phänologie

Der Lebenszyklus des Falters ist eng mit dem Großen Wiesenknopf Sanguisorba officinalis verbunden. Zwischen die Einzelblüten der im Aufblühen befindlichen Blütenköpfe legen die Weibchen ihre Eier. Zudem wird die Pflanze als nahezu ausschließliche Nektarquelle genutzt, weshalb auch alle anderen Aktivitäten der Falter immer in deren Nähe oder auf ihnen stattfinden (z. B. die Kopulation). Die Raupen leben bis zum vierten Stadium (die letzten bis Mitte September) in den Blüten oder unreifen Samen des Großen Wiesenknopfes. Zum Falterschlupf müssen genügend blühende Wiesenknopf-Pflanzen vorhanden sein.

Lebensraum


Maculinea teleius ist ein Monobiotopbewohner. Er besiedelt offene Bach- und Flussauen auf wechselfeuchten Standorten mit den Hauptrequisiten Großer Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) und Nestern von Wiesenameisen der Gattung Myrmica. Als Wirtsameisen werden Myrmica scabrinodis und Myrmica rubra angegeben, wobei M. scabrinodis die wichtigere ist. Myrmica scabrinodis besiedelt mehr die offeneren Stellen, die Saumstrukturen der (trockneren) Ränder von Wegen und Gräben (aber grund- bzw. quellwasserbeeinflusst). Diese Strukturen sind heute weitestgehend zurückgedrängt, so dass die konkurrenzschwächere M. scabrinodis gegenüber M. rubra unterliegt. Hauptnahrungspflanze der Raupen ist der Große Wiesenknopf Sanguisorba officinalis. Der Falter (Imaginalhabitat) nutzt im Wesentlichen das Reproduktionshabitat sowie dessen engere, strukturreiche Umgebung. Folglich sind auch fettere und höher wüchsige Vegetation, wie z. B. Staudenfluren sowie Waldränder in das Imaginalhabitat einbezogen. Einzelgehölze haben Bedeutung als Windschutz.

Lebensräume nach Artenschutzrecht

Eiablage- und Entwicklungshabitate sind Brenndolden-Stromtalwiesen (Cnidion dubii), Pfeifengraswiesen (Molinion caeruleae), Kohldistelwiesen (Angelico-Cirsietum oleracei) sowie maximal zweischürig genutzte, oft staudenreiche Wiesen oder jüngere Brachen (bis max. Beginn Verbuschung), die zum feuchten Flügel der Tieflagen-Frischwiesen (Arrhenatherion elatioris) gehören. Eine ausgeprägte Bindung der Art besteht zu den FFH-LRT 6410 (Pfeifengraswiesen), LRT 6430 (Feuchte Hochstaudenfluren), LRT 6440 (Brenndolden-Auewiesen) und zu LRT 6510 (Flachland-Mähwiesen) bzw. zu den entsprechenden nach §26 SächsNatSchG Geschützten Biotopen 06.01.200, 06.02.110, 06.01.300 und 07.01.110.

Habitatkomplexe

  • Feuchtgrünland, Staudenfluren
  • Grünland, Grünanlagen

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Feuchtgrünland, Staudenfluren
  • Grünland, Grünanlagen

Ökologische Charakterisierung

  • Offene Landschaft, Feuchthabitate

Management


Beurteilung

Forschungsbedarf besteht bezüglich des Nebenwirtes der Wirtsameise Myrmica rubra: Kann diese dauerhaft den Hauptwirt ersetzen. Gibt es weitere Nebenwirte?

Handlungsbedarf aus Landessicht

  • Landes-TOP 50-Art für den Artenschutz/das Artenmanagement
  • Landesprioritäres Natura 2000-Schutzgut
  • Landeszielart des Biotopverbundes

Management

Die in den Pflegerichtlinien dargelegten Maßnahmen sind strikt einzuhalten, besonders Einhaltung der Mahdzeiträume und die einzusetzende Technik sowie der Tierbesatz bei Beweidung (keine Intensivweide!). Analyse der bestehenden Populationen in ihren Lebensräumen, suche nach geeigneten, ortsnahen patches für Ausbau der Metapopulationsstruktur.

Weitere Informationen

Ansprechpartner: PD Dr. Josef Settele, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ Ronald Schiller, Naturkundemuseum Leipzig Dr. Hanno Voigt, Freital-Saalhausen

Gefährdungen


Hauptgefährdungen sind - Aufgabe der Nutzung bzw. der Pflegemaßnahmen bzw. Nutzungsintensivierung durch Eintrag von Nährstoffen und Agrochemikalien in die Lebensräume. - Sukzession und Aufforstung - falsche Biotoppflege - Fragmentierung und Isolation von Lebensräumen (Ausschalten der Metapopulationsstruktur) - Veränderung im (Grund-)Wasserregime

Sonstiges


Literatur

GLINKA, U., RICHTER, A., GRAUL, M., SCHELLHAMMER, L. & SETTELE, S. (2004): Aktuelle Vorkommen der Wiesenknopf-Ameisenbläulinge Maculinea nausithous (BERGSTRÄSSER, 1779) und Maculinea teleius (BERGSTRÄSSER, 1779) (Lep., Lycaenidae) im Leipziger Raum (Sachsen). - Entomologische Nachrichten und Berichte 48: 219-224. GLINKA, UTA (2004): Bedeutung und Ursachen von Verbreitungsmustern der Ameisenzönose auf das Vorkommen von Glaucopsyche (Maculinea) nausithous und G. teleius [LEP]. - Mitteilungen Sächsischer Entomologen 67: 17-18. KRAHL, M. & HERKNER, I. (1998): Vorkommen des Hellen und des Dunklen Wiesenknopf-Ameisen-Bläulings (Glaucopsyche teleius BERGSTRÄSSER [1779] und Glaucopsyche nausithous BERGSTRÄSSER, [1779]) (Lepidoptera, Lycaenidae) in der Neiße-Aue bei Görlitz (OL). - Mitteilungen Sächsischer Entomologen 44: 2 - 3. REINHARDT, R. (2010): Die Ameisen-Bläulinge Maculinea nausithous (BERGSTRÄSSER, 1779) und M. teleius (BERGSTRÄSSER, 1779) – faunistische und populationsdynamische Analysen (Lepidoptera, Lycaenidae). - Entomologische Nachrichten und Berichte 54: 85-94. REINHARDT, R., SBIESCHNE, H., SETTELE, J., FISCHER, U. & FIEDLER, G. (2007): Tagfalter von Sachsen. In: KLAUSNITZER, B. & REINHARDT, R. (Hrsg.) Beiträge zur Insektenfauna Sachsens Band 6. – Entomologische Nachrichten und Berichte, Beiheft 11, 696 + 48 Seiten. Dresden. SCHILLER, R. & GRAUL, M. (2000): Zur Situation von Euphydryas maturna, Maculinea nausithous und M. teleius in der Region Leipzig - Ein Zwischenbericht. - Insecta (Berlin) 6: 54 - 56. VOIGT, H. (2002): Zum Vorkommen von Maculinea nausithous und Maculinea teleius (Lep., Lycaenidae) im Stadtgebiet von Dresden (Sachsen), zwei Schmetterlingsarten des Anhangs II der FFH-Richtlinie. - Entomologische Nachrichten und Berichte 45 [2001]: 165 - 169.

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Stand: 01.11.2010; Bearbeiter: Rolf Reinhardt