Allgemeine Arteninformationen
Taxonomie
Turmfalken bilden vermutlich mit weiteren, nicht in Europa vorkommenden Arten eine Superspezies, deren systematische Stellung noch unklar ist. Der Art Falco tinnunculus werden aktuell mindestens 12 Unterarten zugeordnet, von denen mindestens die zwei Formen der Kapverden von verschiedenen Autoren als eigene Art betrachtet werden. Europa ist Teil des Areals der Nominatform Falco tinnunculus tinnunculus.
Kennzeichen
Kleinerer Falke mit auffällig langem Schwanz. Der Rücken des Männchens ist rotbraun mit schwarzer Fleckung. Kopf Rücken und Schwanz sind grau. Auffällig ist eine breite schwarze Endbinde des Schwanzes. Die Unterseite ist überwiegend cremefarbig mit kräftiger dunkler Fleckung. Die Weibchen und Jungvögel sind matter gefärbt, ihnen fehlt die graue Färbung und der Schwanz ist bräunlich und durchgehend gebändert. Charakteristisch ist der häufige Rüttelflug während der Jagd, bei dem Schwanz und Flügelspitzen stark gespreizt werden. Als häufigste Falkenart ist der Turmfalke in Mitteleuropa kaum verwechselbar.
Biologie und Ökologie
Turmfalken besiedeln ein breites Spektrum von Lebensräumen, denen eine Strukturierung mit hohen Objekten als Brutplatz und Offenland mit niedriger oder lückiger Vegetation als Jagdgebiete eigen ist. Nistplätze können sich an Gebäuden, Steilwänden und Felsen, aber auch in Waldrändern, Baumreihen und Baumgruppen, einzeln stehenden Masten etc. befinden. Da die Nahrungssuche überwiegend im Offenland erfolgt, werden strukturreiche Gebiete bevorzugt und große, geschlossene Wälder allenfalls randlich besiedelt. Außerhalb der Brutzeit halten sich Turmfalken häufig im Agrarland, aber auch in Ruderal- und Bergbaugebieten auf.
Die Nahrung besteht überwiegend aus kleineren Bodentieren, wie Kleinsäugern, Insekten, teilweise auch Regenwürmern. Wühlmäuse bilden den überwiegenden Massenanteil der Beute. Vögel werden verstärkt bei Mangel an Kleinsäugern und in Großstädten erbeutet (Bauer et al. 2005).
Turmfalken sind in Deutschland Standvögel oder Kurzstreckenzieher, teilweise aber auch Mittelstreckenzieher. Ringfunde ostdeutscher Brutvögel belegen Wanderungen nach Südwesteuropa und vereinzelt bis nach Nordwestafrika. Im Winter erfolgt in Mitteleuropa ein Zuzug von vorwiegend skandinavischen Brutvögeln (Baierlein et al. 2014).
Wie alle Falken bauen Turmfalken keine Nester, sondern nutzen Nischen an Gebäuden oder Felsen, vorhandene Nester anderer Vogelarten oder auch Nistkästen zur Brut. Die Höhe der Brutplätze ist situationsabhängig und kann von 2 Metern bis über 100 Metern betragen. In Plattenbaugebieten kommt es häufig auch zu Bruten in Blumenkästen. Die Nistmulde wird in die vorhandenen Substrate gedreht, gelegentlich werden die Eier an neuen Brutplätzen auch auf das blanke Mauerwerk bzw. den Fels gelegt. Bei günstigen Bedingungen können die Brutplätze kolonieartig gehäuft sein, z. B. an Türmen oder großen Brücken. Turmfalken legen meist 3-7 Eier. Die Brutdauer beträgt 27-32 Tage, die Nestlingszeit 27-32 Tage. Es erfolgt eine Jahresbrut, Nachgelege sind aber möglich. Aufgrund des flächendeckenden Auftretens der Art werden neuentstandene Nistmöglichkeiten meist schnell besiedelt.
Überregionale Verbreitung
Das Areal der Nominatform F. t. tinnunculus erstreckt sich von Nordwestafrika über nahezu ganz Europa bis in den Osten Zentralsibiriens und zum Himalaya. Die Art weist in Europa einen ungünstigen Erhaltungszustand aufgrund anhaltender Bestandsrückgänge durch Intensivierung der Landwirtschaft auf (SPEC 3).
Vorkommen
Langfristiger Bestandstrend
gleichbleibend
Kurzfristiger Bestandstrend
gleichbleibend
Phänologie
Phänogramm

Sonstiges
Literatur
Baierlein, F.; Dierschke, J.; Dierschke, V. ; Salewski, V.; Geiter, O.; Hüppop, K.; Köppen, U. & Fiedler, W. (2014): Atlas des Vogelzugs. Ringfunde deutscher Brut- und Gastvögel. – Aula-Verlag Wiebelsheim: 567 S.
Bauer, H.-G., Bezzel, E. & Fiedler, W. (Hrsg.) (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel. – AULA-Verlag Wiebelsheim: 808 S.
Boye, P. (2003): Nagetiere in der Agrarlandschaft. – In: Boye; P.; Meinig; H. (Hrsg.): Ökologie der Säugetiere 1. – Laurenti, Bielefeld: 158 S.
Fünfstück, H.-J., Ebert, A., Weiß, I. (2010): Taschenlexikon der Vögel Deutschlands. - Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim: 685 S.
Meining, H.; Boye, P. & Hutterer, R. (2009): Rote Liste und Gesamtartenliste der Säugetiere (Mammalia) Deutschlands. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (1): 115-153
Piechocki, R. (1982): Der Turmfalke. Die Neue Brehm-Bücherei Bd. 116. – A. Ziemsen Verlag, Wittenberg Lutherstadt: 104 S.
Steffens, R., D. Saemann & K. Grössler (1998 ): Die Vogelwelt Sachsen. – Gustav Fischer Verlag, Jena-Stuttgart-Lübeck-Ulm: 530 S. Steffens, R., Nachtigall, W., Rau, S., Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. – Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden: 656 S.
Südbeck, P., Andretzke, H., Fischer, S., Gedeon, K., Schikore, T. S., Schröder, K. & Sudfeldt, C. (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten und des Dachverbandes der Deutschen Avifaunisten DDA (Hrsg.) – Mugler Druck-Service, Hohenstein-Ernstthal: 790 S.
Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste und Gesamtartenliste der Brutvögel (Aves) Deutschlands. 4. Fassung, 30. November 2007. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (1): 159-227
Urs N. Glutz von Blotzheim (Hrsg.): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Mit einem Lexikon ornithologischer Fachbegriffe von Ralf Wassmann. Vogelzug-Verlag, Wiebelsheim 2004, ISBN 3-923527-00-4 (CD-ROM für Windows, MacOS, Unix usw., als PDF-Datei: 15.718 Buchseiten mit 3200 Abbildungen).