Oxyura jamaicensis (J.F. Gmelin, 1789) / Schwarzkopf-Ruderente

Synonyme


Anas jamaicensis

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

In Deutschland trat bisher ausschließlich die Nominatform Oxyura j. jamaicensis auf.

Kennzeichen

Größe 35-43 cm, deutlich kleiner als Stockente. Typisch entenartiger Habitus mit auffällig langen und oft gestelzt gehaltenen Schwanzfedern. Der Sexualdimorphismus ist stark ausgeprägt. Die Oberseite der Männchen ist im Brutkleid kastanienbraun, die Kopfseiten sind kontrastreich weiß abgesetzt. Der Scheitel ist bis unter das Auge breit schwarz gefärbt, die Schwarzfärbung umschließt das Auge vollständig und zieht sich am Hinterhals durchgehend bis zum Rücken hinab. Die Kloakenregion und die Unterschwanzdecken sind weiß. Der Schnabel besitzt einen konkav gebogenen Rücken und ist im Brutkleid hellblau gefärbt. Im Schlichtkleid wechselt die Braunfärbung des Gefieders in ein fleckiges Grau, die kontrastreichen Kopfseiten bleiben jedoch erhalten, der Schnabel wird ebenfalls grau. Die Weibchen sind insgesamt verwaschen wellig graubraun gefärbt mit dunklem Scheitel und einem zusätzlichen grauen Streifen entlang der helleren Wangenseiten. Es besteht eine große Verwechslungsgefahr mit der in Europa autochthonen Weißkopf-Ruderente - Oxyura leucocephala (Scopoli, 1769). Diese ist jedoch insgesamt heller mit mehr Weiß an den Wangenseiten, das dunkle Auge ist immer erkennbar; und sie besitzt einen deutlich buckelartig geformten Schnabelrücken. Mit der Art können jedoch Hybridformen auftreten. Im Gegensatz zur Schwesterart kann die Schwarzkopf-Ruderente deutliche Instrumentallaute erzeugen: rasselnde Laute mit dem Schnabel, rülpsende und klickende Geräusche mit dem aufblasbaren Kehlsack.

Biologie und Ökologie

Lebensweise: Eine Jahresbrut zwischen Mai und Juli. Bebrütung des Geleges ca. 25 Tage, danach werden die 5-10 Jungen etwa 50 bis 55 Tage lang vom Weibchen geführt. Außerhalb der Brutzeit in alters- und geschlechtsgemischten Gruppen umherstreifend. Eine Vollmauser jeweils nach der Brutzeit und im Frühjahr. Die Tiere werden mit 2 Jahren geschlechtsreif.
Lebenserwartung: keine Angaben
Nahrungsspektrum: Feine Pflanzenteile, Mollusken und andere Kleinlebewesen (Mückenlarven). Nahrung wird seihend aufgenommen, aber auch bei bis zu 3 m tiefen Tauchgängen.
Territorialverhalten: Durchzügler in Mitteldeutschland können sehr gebietstreu sein. In den Brutrevieren der Iberischen Halbinsel treten die Weibchen sehr aggressiv und dominant gegenüber der Weißkopf-Ruderente auf.
Populationsdichte: Keine etablierte Population in Sachsen, keine Angaben

Überregionale Verbreitung

Herkunftsgebiet: Die Nominatform lebt in Nord- und Mittelamerika, weitere Unterarten in Südamerika entlang der Anden.
Aktuelle Verbreitung in Europa: Ab 1935 wurde die Art als Ziervogel nach Europa eingeführt und in Frankreich und vor allem Großbritannien gehalten. Nach Frankreich und Belgien wurden auch vereinzelt Tiere der südamerikanischen Unterart O. j. ferruginea gebracht. Ab Anfang 1950er Jahre erfolgte ein verstärktes Auftreten von O. j. jamaicensis in Großbritannien und eine Zunahme auch auf dem Festland. Mittlerweile sind Beobachtungen der Art aus 14 europäischen Ländern und Nordafrika bekannt, welche letztlich alle auf die britische Population und Gefangenschaftsflüchtlinge zurückgehen. In Island, in den Niederlanden, in Frankreich und Spanien sind erfolgreiche Freilandbruten bekannt geworden. 1991 die erste Brut in Andalusien, der Heimat von O. leucocephala. Dort traten später auch zunehmend Hybriden auf. In den letzten Jahren war ein Rückgang der Beobachtungen zu verzeichnen, welcher vermutlich auf die inzwischen in mehreren Ländern (insbesondere Großbritannien und Westeuropa) eingeleiteten Bekämpfungsmaßnahmen zurückzuführen ist.
Aktuelle Verbreitung in Deutschland: 1980 erfolgte die erste Freilandbeobachtung und im Jahr 2001 in Niedersachsen die erste erfolgreiche deutsche Freilandbrut. Bis 2003 kam es dort zu einer weiteren Brut und wenigen Brutversuchen. Auch aus anderen nördlichen Bundesländern (Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein) liegen Brutzeitbeobachtungen vor, erfolgreiche Bruten sind jedoch nicht weiter bekannt. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen traten bisher nur Durchzügler auf, Bruten sind nicht bekannt.

Prüfung und Erfassung


Hinweise für Artenschutzprüfung

  • Sonstige Vogelart

Sonstige Arten-Attribute

  • Invasive gebietsfremde Art der Unionsliste der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 inkl. aller Ergänzungen
  • Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2016/1141 vom 13. Juli 2016
  • Art. 16 EU-VO frühe Phase der Invasion (melde- und beseitigungspflichtige Art)
  • Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertung für gebietsfremde Wirbeltiere (BfN-Skripten 409)

Vorkommen


Status Etablierung

Neobiota, nicht etabliert

Status Vögel

Gastvogel

Nachweisabsicherung

Ja

Bestand

Aktuelle Verbreitung in Sachsen: Die Art ist in Sachsen bislang nur als seltener Überwinterer oder Durchzügler bekannt. Es liegen etwa 15-20 Beobachtungen von meist einzelnen Schwarzkopf-Ruderenten vor. Überwiegend stammen diese aus den Herbst- und Wintermonaten. Beobachtungen vom März 2008 am Rückhaltebecken Stöhna, im April 2001 sowie im Juli 2007 an den Eschefelder Teichen sind die wenigen Funde in der Reproduktionszeit. Alle bisherigen Beobachtungen verblieben jedoch ohne Brutverdacht. Die meisten Individuen wurden im Januar 2010 mit drei Tieren (1 Männchen, 2 Weibchen) am Markkleeberger See gezählt.
Die Funde konzentrieren sich auffällig im Leipziger Umland und Nordsachsen, nur zwei Beobachtungen stammen aus der Oberlausitz. Am Kulkwitzer See bei Leipzig wurde vermutlich dasselbe Tier in drei aufeinanderfolgenden Wintern beobachtet. Die Erstbeobachtung erfolgte im Jahr 1995 bei Torgau, die letzten bekannten Beobachtungen stammen aus dem Jahr 2015. Seitdem wurde ein Rückgang der Beobachtungen festgestellt.

Verbreitung und Einbürgerung

Einbürgerungszeit: Erstbeobachtung im Jahr 1995, seitdem Beobachtungen von Einzeltieren.
Einbürgerungsgrad in Sachsen: Eine Etablierung der Art hat noch nicht stattgefunden. Bisher als seltener Überwinterer oder Durchzügler in Sachsen mit etwa 15-20 Beobachtungen belegt. Möglicherweise handelt es sich überwiegend um Gefangenschaftsflüchtlinge, Durchzügler aus Nordwesteuropa und Großbritannien sind aber ebenfalls möglich. Bislang nur 3 Brutzeitbeobachtungen, aber kein Brutverdacht.
Einbürgerungsweise: Gefangenschaftsflüchtling

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Erläuterung Phänologie

In Sachsen bisher Beobachtungen überwiegend im Herbst und Winter. Nur 3 Beobachtungen von März bis Juli.

Lebensraum


Lebensraum im Herkunftsgebiet: Zur Brutzeit in Nordamerika an vegetationsreichen und gut gegliederten Gewässern, großen Seen bis kleinen Teichen sowie in ausgedehnten Sumpfgebieten. Auf dem Durchzug häufig in Brackwasser und Küstenlagunen.
Lebensraum in Sachsen: Auftreten in Sachsen bisher ausschließlich an großen Gewässern der Bergbaufolgelandschaft und an ebenfalls größeren Fischteichen.

Habitatkomplexe

  • Stillgewässer inkl. Ufer

Ökologische Charakterisierung

  • Eurytope Arten

Höhenstufen

  • planar

Management


Beurteilung

Wichtiger Hinweis:
Die Art tritt selten auf und hat sich noch nicht etabliert. Daher sind bei Auftreten von Individuen Gegenmaßnahmen erfolgversprechend und erforderlich. Die Art unterliegt auch der Früherkennung (siehe Art. 16 ff der EU-Verordnung Nr. 1143/2014). Beobachtungen der Art sind daher bitte wie folgt an das LfULG zu melden (bitte bei der Meldung ein Foto beifügen):
- per E-Mail an Artenerfassung.LfULG@smul.sachsen.de,
- über das Meldeformular unter https://fs.egov.sachsen.de/formserv/findform?shortname=smul_lfulg_371&formtecid=2&areashortname=smul_lfulg_62 oder
- über die Online-Eingabe (für Personen, die regelmäßig an das LfULG melden möchten)

Naturschutzfachliche Beurteilung: Hochproblematisches Neozoon. Gefährdet in Europa durch hohe Aggressivität andere Wasservogelarten. Verdrängt v. a. die in Südeuropa indigene und bedrohte Weißkopf-Ruderente (Oxyura leucocephala) durch Hybridisierung. Verdrängt auch andere Arten am Brutplatz, bisher jedoch keine Brut in Sachsen.
Wirtschaftliche Beurteilung: Kosten entstehen für Management - Bejagung.
Negative gesundheitliche Auswirkungen: nicht bekannt
Wissensdefizite in Sachsen: keine
Fazit für Sachsen: Problematik in Sachsen derzeit gering, da nur unregelmäßigem Auftreten von Einzeltieren, kein Brutverdacht und seit 2015 offenbar Rückgang der Beobachtungen infolge Bestandsregulierung in Westeuropa und Großbritannien. Jedoch hohes Gefährdungspotenzial des hochproblematischen Neozoons.

Management

Präventive Maßnahmen: Verbot des Imports lebender Tiere, der Zucht und Haltung sowie des Freisetzens in die Umwelt infolge der EU-Verordnung Nr. 1143/2014

Bekämpfungsstrategien: Bekämpfung erforderlich. Bejagung, Abschuss.

Weitere Managementmaßnahmen: keine

Nicht zu empfehlende Maßnahmen: keine

Handlungsbedarf: In Sachsen ist der Handlungsbedarf für ein Management bzw. für eine unverzügliche Tilgung bei wildlebenden Nachweisen der Art und Beobachtung des Etablierungsprozesses hoch. Problematisches und invasives Verhalten gegenüber der Weißkopf-Ruderente ist belegt. Die Bekämpfung der wenigen in Sachsen auftretenden Tiere ist erfolgversprechend. Zudem haben die europäischen Bekämpfungsmaßnahmen bereits Erfolge gezeigt und die Art ist nach EU-Verordnung 1143/2014 Art. 17 zu beseitigen.

Für das Management von Neobiota in Sachsen beachten Sie auch die offiziellen Internet-Seiten: https://www.natur.sachsen.de/management-verbreiteter-invasiver-arten-20698.html;

Zentrales Medium für die Sammlung von Artdaten in der Naturschutzverwaltung des Freistaates Sachsen ist die Zentrale Artdatenbank (ZenA) beim LfULG: https://www.natur.sachsen.de/zentrale-artdatenbank-zena-sachsen-6905.html;

Aktuelle Übersichtskarten der Verbreitung von Arten in Sachsen können in Artdaten-Online abgerufen werden: https://www.natur.sachsen.de/artdaten-online-darstellung-von-inhalten-der-zentralen-artdatenbank-im-internet-21860.html

Handlungsbedarf Neobiotamanagement

Handlungsbedarf Neobiotamanagement

Handlungsbedarf für unverzügliche Tilgung bei wildlebenden Nachweisen der Art und Beobachtung des Etablierungsprozesses

Sonstiges


Literatur

Sachsen:
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Rößger, F. & Hoyer, F. (2000): Beobachtungsbericht des Ornithologischen Vereins zu Leipzig (OVL) für das Jahr 1995. Actitis 35, S. 5-24.

Weiterführende Literatur:
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Arndt, E. (2009): Neobiota in Sachsen-Anhalt. Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 46 (2).
Bauer, H.-G. (1993): Die Gefährdung der global bedrohten Weißkopf-Ruderente Oxyura leucocephala durch die Ausbreitung der Schwarzkopf-Ruderente O. jamaicensis in Europa. Berichte zum Vogelschutz 31, S. 67-70.
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Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG
Erstbearbeitung (05.07.2015): Jens Kipping; Aktualisierung (14.08.2020): Ulrike Heffner (LfULG)
Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: ulrike.heffner@smul.sachsen.de / heiner.blischke@smul.sachsen.de
Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html
Informationen zu Neobiota: https://www.natur.sachsen.de/biologische-invasionen-neobiota-20683.html