Allgemeine Arteninformationen
Kennzeichen
- sehr kleine zierliche Fledermausart, die sich im Winterschlaf vollständig in ihre Flughäute einhüllt
- einziger Vertreter der Hufeisennasen in Sachsen
- häutiger hufeisenförmiger Nasenaufsatz
- Rückenfell bräunlich, Unterseite grauweiß
- Flügelspannweite 19,2 – 25,4 cm
- Gewicht 4 - 7 g
- Unterarmlänge 36,1 – 39,6 mm
Biologie und Ökologie
- im Mitteleuropa befinden sich die Wochenstuben- und Sommerquartiere in Gebäuden und nur ausnahmsweise in Höhlen, im Süden des Verbreitungsgebietes werden dagegen oft Höhlen besiedelt
- Wochenstubengesellschaften bestehen meist aus 10 – 200 adulten Weibchen
- die Weibchen bekommen jeweils ein Jungtier, beteiligen sich jedoch nicht jährlich an der Reproduktion
- Winterquartiere unterirdisch in Höhlen, Stollen und ehemaligen Bergwerken
- in den Quartieren frei und meist locker verteilt hängend, bei kühlen Temperaturen aber auch in Clustern
- Jagdhabitate in Mitteleuropa fast ausschließlich in Waldgebieten
- fliegt sehr eng strukturgebunden und jagt dicht an der Vegetation
- die Nahrung besteht vor allem aus kleinen Zweiflüglern, Hautflüglern, Florfliegen und kleinen Nachtfaltern
- die Jagdgebiete liegen oft in unmittelbarer Quartiernähe, können aber auch bis 6,4 km vom Tagesquartier entfernt sein
- die Winterquartiere befinden sich oft in unmittelbarer Nachbarschaft der Sommerquartiere und sind sehr selten mehr als 20 km von diesen entfernt
Überregionale Verbreitung
- das Verbreitungsgebiet reicht von Europa, Nord- und Ostafrika über die Arabische Halbinsel bis nach Kaschmir
- Europa vom Mittelmeergebiet bis zum 51. – 52. Breitengrad sowie im Westen Irlands und Großbritanniens, im nördlichen Teil des Verbreitungsgebietes allerdings in großen Gebieten ausgestorben, so in Teilen Deutschlands, Frankreichs und der Schweiz sowie in den Niederlanden und Luxemburg
- Vorkommen in Deutschland in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Bayern
Erhaltungszustand

- ungünstig-schlecht
- ungünstig-unzureichend
Hinweise Erhaltungszustand
Mindestbestand als Schwellenwert für günstigen Erhaltungszustand in SN: 20 Wochenstubenquartiere mit mind. ca. 100 ad.
Prüfung und Erfassung
Verantwortlichkeit (Auswahl)
In hohem Maße verantwortlich
Relevanz bei Eingriffen
- Forstwirtschaft
- Straßenbau
- Wasserbau
Untersuchungsstandards
Wochenstubenquartiere:
- Zählungen adulter Tiere beim Ausflug oder im Quartier Ende Mai - Anfang Juni
- Zählungen adulter und juveniler Tiere im Quartier – Ende Juli
Winterquartiere:
- Zählungen 1-2-mal pro Winterhalbjahr
- zusätzlich Einsatz von Fotofallen
Jagdgebiete und Flugwege:
- im Rahmen von Gebietsbegehungen mit Ultraschalldetektor nicht erfassbar ebensowenig mit Netzfängen nachweisbar
- die Ortungsrufe sind artspezifisch und können mit langfristigen oder regelmäßigen ganznächtlichen stationären akustischen Aufzeichnungen erfasst werden, aufgrund der geringen Reichweite der Rufe sind für die Überprüfung eines Standortes (z.B. Gehölzstreifen, Baumreihe) mindestens 10 einzelne Erfassungsgeräte zur Rufaufzeichnung kleinräumig zu verteilen, in geschlossenen Waldgebieten, die flächig durchflogen werden können, führt jedoch auch diese Methode selten zum Erfolg
- zusätzlich telemetrische Untersuchung zur Erkundung von Quartieren und zur Untersuchung der Raumnutzung
Sonstige Arten-Attribute
- Besonders störungsempfindlich (TK25-Quadrant-Sechzehntel)
- Zielart Biotopverbund (Deutschland)
Vorkommen
Langfristiger Bestandstrend
sehr starker Rückgang
Kurzfristiger Bestandstrend
- gleichbleibend
- deutliche Zunahme
Bestand
- in Sachsen sehr selten
- zurzeit sind 15 Wochenstubenkolonien mit insgesamt 1.400 adulten Tieren bekannt
- 40 bekannte Winterquartiere, in denen 1-5 Tiere überwintern sowie drei Winterquartiere mit einem Bestand von 50 – 100 Tieren
- aktuelle Nachweise auf 29 MTBQ
Verbreitung und Einbürgerung
- in den wärmebegünstigten Tälern der oberen Elbe und ihrer Nebenflüsse sowie im Zittauer Gebirge
- das bis in die 1960-er Jahre zusammenhängende Vorkommensgebiet zwischen der Sächsischen Schweiz und nordwestlich von Meißen zerfiel mit dem Erlöschen zahlreicher Kolonien in mehrere Teilgebiete bei Meißen, Pillnitz und Pirna
- im Zittauer Raum werden seit den 1990-er Jahren nur noch einzelne Tiere im Winter gefunden, die wahrscheinlich aus Wochenstubenkolonien in der benachbarten Tschechischen Republik stammen
Vorkommenskarte

Phänologie
Phänogramm

Lebensraum
- strukturreiche, an Waldflächen grenzende Siedlungsgebiete
- Jagd vor allem in und am Rand von Laub- und Mischwäldern, daneben in Obstgärten und gehölzreichen Siedlungsrändern
- Wochenstubenquartiere in großräumigen Dachstühlen oder Heizungskellern mit unterschiedlich temperierten Hangplätzen innerhalb des Quartiers bzw. des Quartiergebäudes
- Winterquartiere in ehemaligen Kalkwerken und Bergwerksstollen
Lebensräume nach Artenschutzrecht
- Fortpflanzungsstätten sind Wochenstubenquartiere in Gebäuden
- Ruhestätten sind Quartiere in Gebäuden und unterirdischen Bauwerken
- Aufgrund der traditionellen Quartiernutzung gelten diese auch dann als Fortpflanzungs- bzw. Ruhestätten, wenn sie vorübergehend nicht besetzt sind.
Habitatkomplexe
- Gebäude, Siedlungen
- Gehölze, Baumbestand
- Höhlen, Bergwerksanlagen
- Ruderalfluren, Brachen
- Wälder
Habitatkomplexe Reproduktion
Management
Handlungsbedarf aus Landessicht
- Top 75-Art für den Artenschutz/ das Artenmanagement
- Landesprioritäres Natura 2000-Schutzgut
- Landeszielart des Biotopverbundes
Management
- Quartiererhaltung, ggfs. fledermausgerechte Sanierungen mit fachkundiger Betreuung
- Sicherung der Störungsfreiheit in Quartieren
- Gewährleistung geeigneter Quartierbedingungen (Temperatur, Einflugöffnungen, mehrere Hangplätze, Störungsfreiheit, gedeckte Einflugsmöglichkeit, keine Beleuchtung)
- Ergänzung und Ausweitung des Quartierverbundes durch Öffnung geeigneter Quartiergebäude
- Verzicht auf Pestizide in Land- und Forstwirtschaft
- Erhaltung von unzerschnittenen Waldgebieten
- Erhaltung und Förderung zusammenhängender Leitstrukturen im Offenland (Gehölzstreifen, Baumreihen)
Gefährdungen
- Quartierzerstörungen durch Abriss oder nicht fledermausgerechte Sanierung
- Einsatz für Fledermäuse toxischer Holzschutzmittel in Quartieren
- Störungen in Wochenstuben-, Sommer- und Winterquartieren
- Verschluss von Wochenstuben-, Sommer- und Winterquartieren
- Insektizideinsatz in Forst- und Landwirtschaft
- zunehmende Lebensraumfragmentierung durch Straßen bzw. den Verlust von Leitstrukturen in der Offenlandschaft
Sonstiges
Literatur
Arbeitskreis Fledermäuse Sachsen-Anhalt e.V. (Hrsg.) (1997): Zur Situation der Hufeisennasen in Europa. - Tagungsband, IFA-Verlag Berlin, 182 S.
Bontadina, F., H. Schofield & B. Naef-Daenzer (2002): Radio-tracking reveals that lesser horseshoe bats (Rhinolophus hipposideros) forage in woodland. – J. Zool., Lond. 258: 281-290.
Bontadina, F., T. Hotz & K. Märki (2002): Die Kleine Hufeisennase im Aufwind, Ursachen der Bedrohung, Lebensraumansprüche und Förderung einer Fledermausart. - Haupt Verlag, Bern – Stuttgart - Wien, 79 S.
Dietz, C., O. v. Helversen & D. Nill (2007): Handbuch der Fledermäuse Europas und Nordwestafrikas. Franckh-Kosmos Verlags GmbH, Stuttgart.
Gaisler, J. (1963): The ecology of the lesser horseshoe bat (Rhinolophus hipposideros Bechstein, 1800) in Czechoslovakia I. – Vest. Cs. Spol. Zool. 27: 211- 233.
Holzhaider, J., E. Kriner, B.-U. Rudolph & A. Zahn (2002): Radio-tracking a Lesser horseshoe bat (Rhinolophus hipposideros) in Bavaria: an experiment to locate roosts and foraging sites. - Myotis 40: 47-54.
Motte, G. & R. Libois (2002): Conservation of the lesser horseshoe bat (Rhinolophus hipposideros Bechstein, 1800) (Mammalia: Chiroptera) in Belgium. A case study of feeding habitat requirements. - Belg. J. Zool. 132 (1): 47-52.
Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (Hrsg.): Atlas der Säugetiere Sachsens. - Naturschutz und Landschaftspflege,
Schober, W (1998): Die Hufeisennasen Europas. - Neue Brehm Bücherei 647, Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben, 163 S.
Schober, W & E. Grimmberger (1998): Die Fledermäuse Europas. - Franckh-Kosmos Verlags GmbH & Co., Stuttgart.
Schofield, H. (2008): The Lesser Horseshoe Bat. - The Vincent Wildlife Trust, 78 S.
Wilhelm, M. (1978): Zur Verbreitung und Bestandssituation der Kleinen Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros Bechsteini) im Bezirk Dresden. – Zool. Abh. Tierk. Mus. Dresden 35: 261 – 278.
Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes
28.11.2010
Ch. Schmidt
; Aktualisierung 17.06.2014 U. Zöphel