Coenagrion hastulatum (Charpentier, 1825) / Speer-Azurjungfer

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:BG (besonders geschützt)
Rote Liste Deutschland:2 (stark gefährdet)
Rote Liste Sachsen:3 (gefährdet)

Allgemeine Arteninformationen


Kennzeichen

Typische „Azurjungfer“: Männchen blau mit schwarzen Zeichnungselementen. Verwechslungsgefahr besteht v. a. mit anderen Arten der Gattung. Bei den Männchen von Coenagrion hastulatum geht das Blau von Kopf, Brust und Unterseite oft in einen schwachen Grünton über. Die schwarze Hinterleibszeichnung ist variabel, typischerweise sind die Segmente 3–6 oberseits mit einer speerspitzenähnlichen Zeichnung versehen ,die mindestens die Hälfte der Segmentlänge einnimmt, wodurch die Tiere recht dunkel wirken. Weibchen können durch die Form des Halsschildhinterrandes mit einer Lupe sicher erkannt werden.

Die Larven und Exuvien lassen sich nur bei Betrachtung mikroskopischer Merkmale von anderen Arten unterscheiden.

Biologie und Ökologie

Coenagrion hastulatum zeigt in Mitteleuropa eine Präferenz für oligo- bis schwach eutrophe Gewässer, z. B. Torfstiche, Verlandungs- und Zwischenmoore, extensiv genutzte Fischteiche, strukturreiche Abbaugewässer und Stauweiher. Optimale Fortpflanzungsgewässer kennzeichnet häufig ein niedriger, nicht zu dichter Bewuchs, vornehmlich von Seggenarten oder lichten (Schmalblatt-)Rohrkolbenröhrichten. Oftmals haben die Gewässer einen niedrigen pH-Wert, der neben Fischarmut die Ausbildung niedriger Großseggenriede (v. a. Schnabelsegge, Blasensegge) fördert. Die Imagines halten sich am Gewässer meist an besonnten Uferstellen in der Emersvegetation und im Grenzbereich zur freien Wasserfläche auf. Bei hoher Abundanz können sie hier in sehr hoher Dichte von mehreren Individuen pro Meter Uferabschnitt fliegen. Zur Eiablage werden alle möglichen lebenden und toten Pflanzenteile genutzt, die Eiablage erfolgt oft unter Wasser in Halme der Riedpflanzen oder Stängel und Blätter von Laichkräutern und anderen Pflanzen. Die Embryonalentwicklung dauert nur 2–3 Wochen. Die Larven leben in der aquatischen Vegetation bzw. zwischen Stengeln der Emerspflanzen. Sie können eine mehrere Wochen anhaltende Austrocknung der Larvalhabitate während des Sommers überleben, indem sie sich in Feuchtigkeit zurückhaltende, halbzersetzte Pflanzenreste und den feuchten Bodengrund zurückziehen. Die Larvalentwicklung ist in der Regel nach einem Jahr angeschlossen.

Das Ausbreitungsvermögen von C. hastulatum wird unterschiedlich eingeschätzt. Während Alttiere überwiegend standorttreu sind, wandert ein Teil der Jungtiere vermutlich ab (Sternberg & Röhn 2000). Über Mindestpopulationsgrößen ist nichts bekannt.

Überregionale Verbreitung

Paläarktische Art, die von Nord- und Mitteleuropa bis nach Ostsibirien vorkommt. In Europa verläuft die Arealgrenze vom südlichen Rand der Alpen über das französische Zentralmassiv und die Pyrenäen bis nach Schottland. Dabei ist sie im westlichen Europa weitgehend auf die Gebirge beschränkt.

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

ungünstig-unzureichend (Gutachterliche Bewertung)

Prüfung und Erfassung


Einstufung nach F+E-Projekt Artenschutzkonzeption 2012

Allgemeine Maßnahmen in Lebensräumen, Priorität 3 (mittlere)

Untersuchungsstandards

Die Emergenz beginnt in Abhängigkeit vom Witterungsverlauf und von der Höhenlage meist ab Anfang/Mitte Mai, kann in günstigen Jahren aber bereits Ende April starten. Im Gebirge schlüpfen die Tiere überwiegend erst im Juni. Reproduktionsnachweise sind am einfachsten durch frisch geschlüpfte Individuen zu erbringen. Das Sammeln von Exuvien kann parallel dazu durchgeführt werden, jedoch ist die Artbestimmung erst unter dem Binokular möglich.

Zur Ermittlung von Bestandesgrößen sind Abschätzungen von Probeflächen sinnvoll. Dazu werden Imagines an repräsentativen Uferabschnitten ausgezählt und das Ergebnis auf die vorhandene Habitatgröße hochgerechnet. Notwendig sind 3–4 Begehungen, davon 1–2 während der Hauptschlupfzeit und 2–3 während der Fortpflanzungsaktivitäten. Einzelbeobachtungen an potenziellen Reproduktionsgewässern können als Reproduktionshinweis (Status B – Reproduktion möglich) gedeutet werden. Bei Auftreten mehrerer Individuen und Eiablagen besteht Reproduktionsverdacht (Status C – Reproduktion wahrscheinlich). Sichere Reproduktionsnachweise (Status D – Reproduktion nachgewiesen) sind nur durch Exuvien und Funde von im Bereich eines Gewässers frisch geschlüpften Individuen möglich.

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Langfristiger Bestandstrend

starker Rückgang

Kurzfristiger Bestandstrend

gleichbleibend

Bestand

Verbreitungsschwerpunkte im Bergland (Erzgebirge, Vogtland, Lausitzer Bergland) sowie im Oberlausitzer Teichgebiet, außerdem in der Dübener Heide und der Königsbrücker Heide. Die Art fehlt auf weiten Strecken in den strukturarmen Lössgebieten, der Leipziger Tieflandsbucht und dem Riesa-Torgauer Elbtal.

Regionales Vorkommen

  • Chemnitz/Ob. Erzgebirge: Nachweis ab 1980
  • Oberes Elbtal/Osterzgeb.: Nachweis ab 1980
  • Oberlausitz/Niederschles.: Nachweis ab 1980
  • Westerzgebirge/Vogtland: Nachweis ab 1980
  • Westsachsen: Nachweis ab 1980

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Erläuterung Phänologie

In Sachsen zeigt sich ein Aktivitätsmaximum im Zeitraum von Mitte Mai bis Ende Juni, in das über 2/3 aller Nachweise fallen.

Lebensraum


Fortpflanzungsstätten: Meist an Moorgewässern (Torfstiche, Moorkolke und -gräben) sowie an oligo- bis mesotrophen Teichen. Daneben werden auch (schwach) eutrophe, vegetationsreiche Teiche und Abgrabungsgewässer (Steinbrüche, Kiesgruben, Tagebaurestlöcher) besiedelt. Optimale Fortpflanzungsgewässer sind fischarm oder besitzen stark bewachsene Randzonen, in denen die Prädation durch Fische gemindert ist. Entscheidende Habitatrequisiten sind niedrige Wasserriede aus Seggen, Wollgras, Binsen oder lichte Rohrkolbenbestände am Ufer sowie vorgelagerte Rasen von Zwiebelbinsen, Laichkräutern oder See- und Teichrosen.

Ruhe- und Jagdstätten: Als Jagdhabitate werden Offenbereiche, besonders Grünland, Ruderal- und Staudenfluren im Umkreis der besiedelten Gewässer, daneben Gehölzränder, Waldwege, Lichtungen und ähnlich strukturierte nahrungsreiche Flächen genutzt. Ruhestätten sind niedrige Pflanzenstrukturen an den genannten Stellen.

Hinweise zur Abgrenzung von Populationen: Betrachtungsmaßstab unterhalb der Ebene Landkreis, in Sekundärlebensräumen Abbaugebiet, ansonsten Einzelgewässer oder Teichgruppe, Moorgebiet etc.

Habitatkomplexe

  • Bergbaubiotope
  • Feuchtgrünland, Staudenfluren
  • Gehölze, Baumbestand
  • Moore
  • Ruderalfluren, Brachen
  • Stillgewässer inkl. Ufer
  • Sümpfe, Niedermoore, Ufer
  • Wälder

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Bergbaubiotope
  • Moore
  • Stillgewässer inkl. Ufer
  • Sümpfe, Niedermoore, Ufer

Ökologische Charakterisierung

  • Gewässer
  • Gewässer mit besonderer Struktur
  • Moore
  • Moorgewässer
  • Standgewässer
  • Ufer

Höhenstufen

  • collin
  • montan
  • planar

Management


Beurteilung

Die Gefährdungssituation der Art ist regional unterschiedlich. Im sächsischen Bergland und den Heide- und Teichgebieten des Tieflandes existieren aktuell stabile Populationen. Unterstützende Maßnahmen sind v. a. in den isolierten, meist individuenarmen Populationen in Nordwestsachsen und dem Lössgefilde notwendig.

Management

  • Extensive Teichwirtschaft mit möglichst wenig Entkrautungsmaßnahmen und Kalkungen
  • Pflege bzw. Neuanlage fischfreier Kleingewässer in der Umgebung von Mooren, in ehemaligen Abbaugebieten, auf Truppenübungsplätzen usw.
  • Minimierung von Stoffeinträgen und Gewährleistung eines funktionsfähigen Wasserhaushaltes in Moorgebieten
  • Schaffung und Pflege von Gewässerrandstreifen als Schutz vor Stoffeinträgen
Zentrales Medium für die Sammlung von Artdaten in der Naturschutzverwaltung des Freistaates Sachsen ist die Zentrale Artdatenbank beim LfULG: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/8048.htm; Aktuelle Übersichtskarten der Verbreitung von Arten in Sachsen können unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/ida

Gefährdungen


  • Verlanden und Eutrophierung von Handtorfstichen und kleinen Moorgewässern
  • erhöhter Fischbesatz und intensive fischereiliche Nutzung von Gewässern einschließlich Kalkung und Entkrautung
  • Entwertung ursprünglich fischfreier (Abbau-)gewässer durch Fischbesatz und Nutzung zu Angelzwecken
  • Vernichtung oder Beeinträchtigung der Gewässer infolge Grundwasserabsenkung im Nahbereich von Tagebauen

Sonstiges


Literatur

  • Günther, A., M. Olias & T. Brockhaus (2006): Rote Liste Libellen Sachsens. – Materialien zu Naturschutz und Landschaftspflege 2006, hrsg. vom Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie, Dresden, 20 S.
  • Ott, J. & W. Piper (1998): Rote Liste der Libellen (Odonata). – In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands. – Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 55: 260–263.
  • Sternberg, K. & C. Röhn (2000): Coenagrion hastulatum (Charpentier, 1825) Speer-Azurjungfer. – In: Sternberg, K. & Buchwald, R. (Hrsg.): Die Libellen Baden-Württembergs. Band 1: Allgemeiner Teil, Kleinlibellen (Zygoptera). – Eugen Ulmer, Stuttgart: 237–246.
  • Wolf, J. (2005): Speer-Azurjungfer Coenagrion hastulatum (Charpentier, 1825). – In: Brockhaus, T. & U. Fischer (Hrsg.): Die Libellenfauna Sachsens. – Natur & Text, Rangsdorf: 92–95.

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG; Stand: 10.02.2014; Bearbeiter: Marko Olias und Dr. André Günther (Naturschutzinstitut Freiberg); Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: Heiner.Blischke@smul.sachsen.de

Legende zum Artensteckbrief unter: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22872.htm; Informationen zur Artengruppe für Sachsen: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22988.htm