Coenagrion vernale Hagen, 1839
Artenschutzrechtlicher Schutzstatus: | BG (besonders geschützt) |
Rote Liste Deutschland: | 1 ((akut) vom Aussterben bedroht) |
Rote Liste Sachsen: | 1 ((akut) vom Aussterben bedroht) |
Kleine, robust gebaute und recht dunkel wirkende Azurjungfer. Männchen leuchtend blau mit ausgedehnter schwarzer Zeichnung, die auf dem 2. Hinterleibssegment einen querliegenden, schwarzen „Halbmond“ bildet, 3. Segment in der hinteren Hälfte in voller Breite schwarz, Unterseite grünlich. Weibchen oberseits überwiegend schwarz, 8. Segment blau mit glockenförmiger schwarzer Zeichnung. Sichere Bestimmung ist über die Hinterleibsanhänge (Männchen) bzw. die Form des Hinterrandes der Vorderbrust (Weibchen) möglich. Verwechslungsgefahr: andere Schlanklibellen, insbesondere Speer-Azurjungfer (C. hastulatum).
Larven- und Exuvienbestimmung schwierig und nur mittels Mikroskop möglich.
Die Mond-Azurjungfer besiedelt im Osten Deutschlands vorwiegend ausdauernde, flache, meist vegetationsreiche Gewässer in besonnter Lage. Viele Reproduktionsgewässer zeigen starke Wasserstandschwankungen, ohne völlig auszutrocknen. Sie sind (mäßig) nährstoffreich und meist von (extensiv genutztem) Grünland bzw. Offenland umgeben. Im stark atlantisch beeinflussten Teil Mitteleuropas verschiebt sich der Habitatschwerpunkt hin zu nährstoffarmen Moor- und Heidegewässern. Entwicklungsgewässer weisen meist keinen oder nur einen sehr geringen Fischbestand auf.
Die Biologie der Larven ist weitgehend unbekannt, die Entwicklungszeit beträgt in Mitteleuropa wahrscheinlich 1 Jahr. Vermutlich überwintern die Larven im letzten Stadium vor dem Schlupf in Diapause und scheinen zumindest kurze Trockenperioden überleben zu können. Die Imagines nutzen strukturreiches Grün- und Offenland im Umkreis von wenigen hundert Metern im Umfeld der Gewässer als Nahrungs-, Reife- und Ruhehabitat. Am Gewässer sind die Imagines in lichten Kleinröhrichten und an Störstellen in Schwimmblattdecken (Schwimmendes Laichkraut) in vollsonniger Lage anzutreffen. Die Eiablage findet meist an senkrecht aus dem Wasser ragenden Pflanzenteilen, häufig in einiger Entfernung zum Ufer statt.
Die Ausbreitungsfähigkeit ist offensichtlich gering, wobei ein Individuenaustausch zwischen benachbarten Gewässern (<5 Kilometer Distanz) und der Aufbau entsprechender Metapopulationen wahrscheinlich ist. Mindestpopulationsgrößen sind unbekannt, Voraussetzungen für ein langfristiges Überleben sind aber wahrscheinlich funktionsfähige Metapopulationen.
Eurosibirische Art mit komplexem Verbreitungsbild und starker Abhängigkeit von regionalklimatischen Faktoren. In Mitteleuropa kommt die Art in südwestlicher Arealrandlage mit zunehmender Fragmentierung und Isolation der Populationen vor.
ungünstig-schlecht (Gutachterliche Bewertung)
Die Art steht in Sachsen kurz vor dem Aussterben. Nach 2005 liegen Funde nur noch aus 3 MTB-Quadranten vor.
Lokal umzusetzende Artenhilfsmaßnahmen, Priorität 1 (höchste)
Nachweise der Art gelingen häufig nur durch erfahrene Erfasser, die gezielt Einzelindividuen der Art inmitten zahlreicher anderer Kleinlibellen auffinden. Die Erfassung wird durch die jahreszeitlich frühe und kurze Flugzeit erschwert. Die effektivste Methode ist die Suche nach Imagines im Zeitraum Mitte Mai bis Mitte Juni. Wird eine größere Anzahl von Imagines nachgewiesen, kann i. d. R. von einer bodenständigen Population ausgegangen werden (Status C – Reproduktion wahrscheinlich). Ergänzende Suche nach frisch geschlüpften Individuen sollte zur Absicherung erfolgen (Status D – Reproduktion nachgewiesen). Zur Nachweisführung sind mindestens zwei, bei Unsicherheiten über die Hauptflugzeit (Höhenlage!) drei Begehungen erforderlich. Bei optimaler Witterung (sonnig, windstill bis windarm) sind Imagines besonders am späten Vormittag ufernah über der Wasseroberfläche oder in niedrigen, vorgelagerten Wasserröhrichten in vollsonniger Lage nachweisbar (Fernglas!). Da die Eiablage meist untergetaucht erfolgt, sinken die Nachweischancen am frühen Nachmittag. Ganztägig, auch bei ungünstiger Witterung, können Imagines (besonders Weibchen) in windgeschützten Lagen des umgebenden Offenlandes gesucht werden. Notwendig sind mindestens 2–3 Erfassungen von Imagines im Zeitraum Mitte Mai bis Mitte Juni (1 Stunde pro Gewässer bzw. Gewässerabschnitt) inkl. gezielter Suche im angrenzenden Offenland.
Außerhalb bekannter Vorkommensgebiete sollten Fänge durch Fotos (seitlich und von oben) belegt werden. Exuvien und Totfunde sind zur Nachbestimmung aufzubewahren.
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
Ja
sehr starker Rückgang
sehr starke Abnahme
Aus den 1950er Jahren liegen noch zahlreiche Funde der Art aus den sächsischen Lößgefilden vor. Bis zum Einsetzen der landwirtschaftlichen Intensivierung scheint die Art in Sachsen noch weit verbreitet und keineswegs selten gewesen zu sein. Nach 2000 wurde die Art nur noch in der Oberlausitz gefunden. Individuenreiche Populationen wurden hier aus dem Bereich des Tagebaues Berzdorf bekannt. In den letzten Jahren verschlechterte sich die Bestandssituation der Art dort aber lebensraumbedingt erheblich, möglicherweise steht auch dieses Vorkommen inzwischen kurz vor dem Aussterben. Einzelfunde liegen aus der Umgebung von Dauban und aus dem Findlingspark Nochten vor.
Fortpflanzungsstätten: Vor 1990 stammen die sächsischen Nachweise überwiegend von Teichen und Kleingewässern. Aktuell wurde die Art nur noch in wärmebegünstigten Sekundärgewässern im Umfeld des Tagebaus Berzdorf nachgewiesen.
Ruhe- und Jagdstätten: Offenlandbereiche, besonders Grünland, Ruderal- und Staudenfluren im Umkreis von 500 m um die besiedelten Gewässer
Hinweise zur Abgrenzung von Populationen: Betrachtungsmaßstab unterhalb der Ebene Landkreis, in Sekundärlebensräumen Abbaugebiet, ansonsten Einzelgewässer oder Teichgruppe. Imagines halten sich häufig im Umfeld der eigentlichen Reproduktionsgewässer auf. Austausch zwischen wenige hundert Meter entfernten Gewässern wurde nachgewiesen, grundsätzlich wird die Ausbreitungsfähigkeit als gering eingeschätzt (Zumkowski-Xylander & Xylander 2005).
Aufgrund des massiven Bestandseinbruches der Art im Bereich der Folgelandschaft des Tagebaus Berzdorf und fehlender Nachweise aus anderen Teilen Sachsens ist von einer akuten Aussterbegefahr der Art in Sachsen auszugehen. Es liegen auch keine aktuellen Funde aus den angrenzenden Bereichen der Niederlausitz in Brandenburg vor. Die nächstgelegenen individuenreichen Populationen besiedeln das Duppauer Gebirge (Doupovské hory) in Tschechien. Infolge der Erfassungsdefizite in der sächsischen Gefildezone bestehen geringe Chancen, weitere Reliktpopulationen nachzuweisen.
Ein Erhalt der Art ist ohne Erarbeitung und Umsetzung eines spezifischen Schutzkonzeptes unwahrscheinlich. Grundsätze:
Als Ursache für den Zusammenbruch der letzten bekannten sächsischen und ehemals wohl individuenreichsten Population Deutschlands (Zumkowski-Xylander & Xylander 2005) ist die fortschreitende Gehölzsukzession mit zunehmender Verschattung der Reproduktionsgewässer und Verlust der angrenzenden Offenlandbereiche anzusehen. Die Umsetzung der Verordnung des NSG „Rutschung P“ vom 3. Dezember 2007 wird vermutlich zum Aussterben dieser Population und damit der Art in Sachsen führen, wenn nicht intensive Entwicklungsmaßnahmen im angrenzenden Umland erfolgen.
Als Hauptaussterbeursachen der Art in den ehemaligen sächsischen Vorkommensgebieten sind vermutlich Beeinträchtigungen der Reproduktionsgewässer und ihres Umlandes durch landwirtschaftliche Nutzung und erhöhter Fischbesatz anzusehen.
Offizieller Artensteckbrief des LfULG; Stand: 10.02.2014; Bearbeiter: Dr. André Günther und Marko Olias (Naturschutzinstitut Freiberg); Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: Heiner.Blischke@smul.sachsen.de
Legende zum Artensteckbrief unter: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22872.htm; Informationen zur Artengruppe für Sachsen: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22988.htm