Somatochlora alpestris (Selys, 1840) / Alpen-Smaragdlibelle

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:SG (streng geschützt)
Rote Liste Deutschland:1 ((akut) vom Aussterben bedroht)
Rote Liste Sachsen:1 ((akut) vom Aussterben bedroht)

Allgemeine Arteninformationen


Kennzeichen

Sehr dunkel wirkende Falkenlibelle von dunkelgrüner bis schwärzlicher Körperfärbung, auffallend sind im Kontrast dazu die grün glänzenden Augen. Verwechslungsgefahr besteht vor allem mit der sehr ähnlichen Arktischen Smaragdlibelle Somatochlora arctica, sichere Unterscheidungsmerkmale stellen bei Männchen die Form der Hinterleibsanhänge, bei Weibchen die Form der Legeklappe dar. Eine sichere Bestimmung der zwei Arten im Flug anhand von Zeichnungsmerkmalen und Körperstruktur ist nur von erfahrenen Beobachtern möglich. Im Gelände gefertigte Belegfotos sollten bei Männchen die Körperoberseite mit Fokus auf den Hinterleibsanhängen zeigen, bei Weibchen möglichst Körperoberseite und Seitenansicht von Brust und ersten Hinterleibssegmenten.

Die Larven und Exuvien von S. alpestris und S. arctica zeigen Unterschiede in der Behaarung, besonders in Anzahl und Länge von Borsten an den Hinterleibssegmenthinterkanten, eine sichere Bestimmung ist nur bei hoher Vergrößerung möglich.

Biologie und Ökologie

Somatochlora alpestris ist in den mittleren Lagen der zentraleuropäischen Gebirge eng an Hochmoore gebunden. Diese ökologische Bindung lockert sich in den Alpen und den höchsten Lagen der Mittelgebirge, in denen sie auch minerotrophe Gewässer (z. B. Bergseen, Viehtränken) erfolgreich besiedelt.

Zur Überlebenstrategie der Art gehört ein Populationsverbund aus einer wechselnden Anzahl individuenarmer und individuenreicherer Teilpopulationen, die miteinander über Individuenaustausch verbunden sind (Metapopulation). In optimalen Habitaten können sich sukzessive große Bestände entwickeln. Beim Erreichen einer kritischen Schwelle wandern Individuen in hoher Zahl ab und gründen neue Teilpopulationen. Die Mobilität einzelner Individuen ist sehr hoch, durch individuelle Markierung wurden Ortswechsel bis zu 7,5 km nachgewiesen (Sternberg 2000).

Bei der Wahl der Reproduktionsgewässer hat offensichtlich das Reflexionsmuster horizontal polarisierten Lichts eine auslösende Funktion. Männchen können an den Gewässern Reviere besetzen, die Weibchen erscheinen dagegen nur zur Paarung und Eiablage. Die Eier werden im Wippflug in das Wasser abgelegt. Die Embryonal- und Larvenentwicklung umfasst 2–4, manchmal 5 Jahre. Die Larven ertragen ein sommerliches Austrocknen der Larvalhabitate über mehrere Wochen. Sie leben im Wurzelbereich der Riedvegetation, im Gegensatz zu S. arctica wahrscheinlich aber kaum in Torfmoospolstern.

Überregionale Verbreitung

Paläarktische Art mit arkto-alpiner Verbreitung. Im Norden von Skandinavien über Nordostrussland, Sibirien bis Kamtschatka und Hokkaido. In Mitteleuropa neben den Alpen auch disjunkte Areale in den Karpaten und höheren Mittelgebirgen, z. B. Schwarzwald, Böhmerwald, Thüringer Wald, Erzgebirge und Harz.

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

ungünstig-unzureichend (Gutachterliche Bewertung)

Hinweise Erhaltungszustand

Durch ihre stenöke Bindung an nährstoffarme und damit sehr störungsanfällige Moore ist die Art generell einer hohen Gefährdung ausgesetzt. Vermutlich sind viele Teilpopulationen sehr individuenarm und auf ständigen Individuennachschub aus benachbarten Habitaten angewiesen. Die sächsischen Fundorte gehören wahrscheinlich zu länderübergreifenden Metapopulationen im deutsch-tschechischen Grenzgebiet.

Prüfung und Erfassung


Einstufung nach F+E-Projekt Artenschutzkonzeption 2012

Lokal umzusetzende Artenhilfsmaßnahmen, Priorität 1 (höchste)

Untersuchungsstandards

Die Emergenz beginnt in Abhängigkeit vom Witterungsverlauf frühestens Mitte Mai, meist erst Anfang Juni und erstreckt sich über etwa 3–4 Wochen. Während dieser Periode sind Reproduktionsnachweise durch Exuvien bzw. frisch geschlüpfte Individuen leicht zu erbringen. An übersichtlichen und gut zugänglichen Torfstichen und Schlenken lässt sich auf diese Weise eine ungefähre Abschätzung der Anzahl geschlüpfter Imagines vornehmen. Während der Flugzeit der Imagines sind dagegen stets nur einzelne oder wenige Individuen gleichzeitig am Gewässer zu beobachten. Die bloße Erfassung von Imagines lässt somit kaum einen Rückschluss zur Bestandsgröße zu. Da die Imagines weit umherwandern, sollte der Status einzelner Tiere, auch eierlegender Weibchen, nur als mögliche Reproduktion (Status B) gewertet werden. Bei mehreren Individuen mit Revierverhalten oder Paarungsaktivitäten kann die Reproduktion als wahrscheinlich (Status C) angesehen werden, erst beim Nachweis schlupfreifer Larven, Emergenz oder Exuvien gilt die Reproduktion als nachgewiesen (Status D).

Zu einer effektiven Bestandeserfassung werden mindestens 4 Begehungen empfohlen, davon 3 während der Hauptschlupfzeit von Ende Mai bis Anfang Juli mit Suche nach frisch geschlüpften Imagines und Absammeln von Exuvien. Bei einer weiteren Begehung ab Mitte Juli sollte auf eierlegende Weibchen und revierbesetzende Männchen geachtet werden. Das Betreten und die Exuviensuche in sensiblen Uferzonen (bspw. an Torfmoosschwingrasen) sollten vorsichtig und unter Minimierung von Vegetationsschäden erfolgen. Außerhalb bekannter Vorkommensgebiete sollten Fänge durch Fotos (s. Kennzeichen) belegt werden. Exuvien sind zur Nachbestimmung aufzubewahren.

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Nachweisabsicherung

Ja

Langfristiger Bestandstrend

mäßiger Rückgang

Kurzfristiger Bestandstrend

gleichbleibend

Bestand

Für das Vorkommen von Somatochlora alpestris in Sachsen lagen bis 1950 keine sicheren Belege vor. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden sukzessive mehrere Funde aus den Regenmooren des Erzgebirges auf sächsischer Seite bekannt. Betrachtet man die Nachweise aus dem böhmischen und dem sächsischen Teil des Erzgebirges zusammen, ergibt sich eine nahtlose Kette von Fundpunkten, die sich vom westlichen Westerzgebirge bis in das östliche Osterzgebirge zieht, deren Schwerpunkt jedoch in den tschechischen Mooren zu lokalisieren ist. Dabei lassen sich nahe gelegene Vorkommen auf deutscher und tschechischer Seite zu regionalen Metapopulationen zusammenfassen.

Regionales Vorkommen

  • Chemnitz/Ob. Erzgebirge: Nachweis ab 1980
  • Oberes Elbtal/Osterzgeb.: Nachweis ab 1980
  • Westerzgebirge/Vogtland: Nachweis ab 1980

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Lebensraum


Fortpflanzungsstätten: Die sächsischen Vorkommen liegen in den Regenmooren des Erzgebirgskammes in Höhenlagen zwischen 635 und 1100 m üNN. Die Art entwickelt sich in offenen Moorkolken und -schlenken, kleinen Handtorfstichen und in mit Torfmoosen durchwachsenen Entwässerungsgräben. Seltener können Larven hier auch in weitgehend vegetationsfreien Tümpeln und Waldweihern gefunden werden. Im Umfeld der Reproduktionsgewässer befinden sich Latschenkiefernbestände mit angrenzenden Fichtenforsten.

Ruhe- und Jagdstätten: Die Ruhe und Jagdstätten befinden sich vermutlich in angrenzenden Moorkieferbeständen und Wäldern in bis zu mehreren Hundert Metern Entfernung zu den Entwicklungsgewässern.

Hinweise zur Abgrenzung von Populationen: Betrachtungsmaßstab unterhalb Ebene Landkreis, i. d. R. Moorkomplex. Langfristig stabile Vorkommen beruhen in Sachsen überwiegend auf Metapopulationen, die mehrere benachbarte Habitatflächen innerhalb von Moorkomplexen besiedeln. Teilpopulationen im angrenzenden Tschechien müssen in die Betrachtung einbezogen werden.

Habitatkomplexe

  • Moore

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Moore

Ökologische Charakterisierung

  • Moore
  • Moorgewässer

Höhenstufen

  • montan

Management


Beurteilung

Infolge der engen Lebensraumbindung und des guten Durchforschungsgrades der Moorflächen Sachsens ist von einem hohen Erfassungsgrad der sächsischen Vorkommen auszugehen. Für die Art ist die erfolgreiche Wiederbesiedlung eines Moores nach der Durchführung von Revitalisierungsmaßnahmen nachgewiesen (Olias & Günther 2007).

Management

Verbesserung/Sicherung der Habitateignung in Vorkommensgebieten und Erweiterung der Habitatflächen durch Reaktivierung entwässerter, devastierter Moorkörper:

  • Verbesserung des Wasserrückhaltes (Grabenverschluss etc.)
  • Gehölzentfernung (Verbesserung der hydrologischen Situation sowie Erhalt/Wiederherstellung hinreichend großer offener Habitatflächen), ggf. kleinflächige Beräumung des Wasserkörpers stark verwachsener Moorgewässer, um eine vollständige Verlandung zu verhindern
  • Ersteinrichtende Maßnahmen auf geschädigten/devastierten Moorflächen oder im Bereich geeigneter Geländemulden (Überstauung zur Entwicklung von flutenden Torfmoosrasen), ggf. Schaffung geeigneter Geländemulden im Umfeld besiedelter Moore. Entwicklungsflächen sollten eine Mindestgröße von 1000 m² nicht unterschreiten.
Zentrales Medium für die Sammlung von Artdaten in der Naturschutzverwaltung des Freistaates Sachsen ist die Zentrale Artdatenbank beim LfULG: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/8048.htm; Aktuelle Übersichtskarten der Verbreitung von Arten in Sachsen können unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/ida

Gefährdungen


  • Verlanden von Handtorfstichen und kleinen Moorgewässern
  • Beeinträchtigung der Vegetation und Beschleunigung der Sukzession der Reproduktionsgewässer durch diffuse Nährstoffeinträge (Luftpfad)
  • hydrologische Störungen (Entwässerung, Trockenphasen) infolge Niederschlagsmangel und Entwässerung
  • Risikofaktoren: Seltenheit, Kleinflächigkeit, Isolation der Habitate und geringe Individuenzahlen

Sonstiges


Literatur

  • Brockhaus, T. (1990): Zum Vorkommen von Somatochlora alpestris (Sel.) und Somatochlora arctica (Zett.) im Erzgebirge (Insecta, Odonata: Corduliidae). – Faunistische Abhandlungen Staatliches Museum für Tierkunde Dresden 17: 97–100.
  • Brockhaus, T. (2005): Alpen-Smaragdlibelle Somatochlora alpestris (Sélys, 1840). – In: Brockhaus, T. & U. Fischer (Hrsg.) (2005): Die Libellenfauna Sachsens. – Natur & Text, Rangsdorf: 208–211.
  • Günther, A., M. Olias & T. Brockhaus (2006): Rote Liste Libellen Sachsens. – Materialien zu Naturschutz und Landschaftspflege 2006, 20 S.
  • Olias, M. & A. Günther (2007): Alpen-Smaragdlibelle (Somatochlora alpestris) bodenständig im Hochmoor bei Deutscheinsiedel im Osterzgebirge – Entwicklung der Libellenfauna des Deutscheinsiedler Moores nach Revitalisierungsmaßnahmen. – Mitteilungen des Naturschutzinstitutes Freiberg 3: 40–45.
  • Sternberg, K. (2000): Somatochlora alpestris (Sélys, 1840). Alpen-Smaragdlibelle. – In: Sternberg, K. & R. Buchwald (Hrsg.) (2000): Die Libellen Baden-Württembergs. Band 2: Großlibellen (Anisoptera). – Ulmer, Stuttgart: 236–250.
  • Wildermuth, H. (2008): Die Falkenlibellen Europas. Corduliidae. – Die Neue Brehm-Bücherei Bd. 653. – Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben.

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG; Stand: 10.02.2014; Bearbeiter: Marko Olias und Dr. André Günther (Naturschutzinstitut Freiberg); Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: Heiner.Blischke@smul.sachsen.de

Legende zum Artensteckbrief unter: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22872.htm; Informationen zur Artengruppe für Sachsen: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22988.htm