Artenschutzrechtlicher Schutzstatus: | BG (besonders geschützt) |
Rote Liste Deutschland: | * (derzeit keine Gefährdung) |
Rote Liste Sachsen: | G (Gefährdung anzunehmen) |
Mittelgroße Segellibelle. Ausgefärbte Männchen besitzen eine hellblaue Wachsbereifung an Brust und Abdomen. Verwechslungsgefahr besteht mit anderen Blaupfeilarten, besonders mit dem Kleinen Blaupfeil (O. coerulescens), der im Alter ebenfalls eine blaue Bereifung der Brust aufweisen kann (ausgeprägt bei südlichen Populationen). Männchen von O. brunneum sind jedoch durch eine hellblau-weißliche Färbung der Stirn und ein rotbraunes Flügelmal von 2–3 mm Länge gekennzeichnet (bei coerulescens ockergelb und 3–4 mm lang). Weibchen sind eher unauffällig braun gefärbt. Wichtige Unterschiede zu anderen Blaupfeilarten liegen in der Zelladerung und der Ausbildung der äußeren Genitalien. Die Bestimmung von Larven und Exuvien ist im Gelände nicht sicher möglich. Sie sind sehr ähnlich dem Kleinen Blaupfeil.
Orthetrum brunneum ist eine Pionierart an oftmals vegetationsarmen, besonnten, flachen Standgewässern und leicht fließenden Bächen, Kanälen, Gräben und Rinnsalen, die sich in überwiegend offenen, thermisch begünstigten Landschaftsteilen befinden. In Mitteleuropa sind dies meist anthropogen entstandene Lebensräume, typischerweise bieten sie der Art nur für eine kurze Zeit optimale Habitatbedingungen.
Imagines fliegen an vegetationslosen bis -armen Uferabschnitten mit sich schnell erwärmenden offenen Bodenstellen (z. B. Kies-/Schotterflächen, Trittstellen, Betonplatten an befestigten Gräben, Felsen), die zum Sonnen genutzt werden. Die Eier werden vom Weibchen über den flachen Gewässergrund an fast unbewachsenen Stellen weit verstreut abgeworfen. Die Prolarven schlüpfen nach 4–5 Wochen. Die Larven leben an besonnten Stellen in seichtem, manchmal nur wenige Zentimeter tiefen Wasser, je nach Angebot in submersem Detritus und Pflanzenteilen oder direkt im vegetationslosen Sediment. Sie bevorzugen stark erwärmte Wasserschichten und können sich auch an der Wasseroberfläche auf Algenwatten oder Pflanzenpolstern sitzend aufhalten. Generell weisen die Larvenhabitate sehr starke Tages- und Jahresschwankungen in der Temperatur und im Sauerstoffangebot auf, mit denen die Larven zurechtkommen müssen. Die Imagines schlüpfen in Mitteleuropa nach meist zwei-, seltener einjähriger Entwicklungszeit.
Das Ausbreitungsvermögen der Pionierart ist sehr hoch. Regelmäßig gelingen Einzelfeststellungen von Tieren auch an kaum zur Reproduktion geeigneten Gewässern.
Über das gesamte Mittelmeergebiet und den Nahen Osten bis Kaschmir und zur Wüste Gobi verbreitet. Nördlich der Alpen tritt die Art allerdings nur lokal auf und wird in Richtung Norden immer seltener. Skandinavien und die Britischen Inseln sind bisher unbesiedelt.
ungünstig-unzureichend (Gutachterliche Bewertung)
Die Art besiedelt in Sachsen fast ausschließlich Sekundärbiotope (v. a. Abgrabungsgebiete, Tagebaufolgelandschaften), die per se meist nur kurzlebig als Habitat geeignet sind, zusätzlich aber nutzungsbedingten Beeinträchtigungen (Rekultivierung, Verfüllung) unterliegen.
unbearbeitet
Bestandserhebungen, Gefährdungsanalysen, Priorität 3 (mittlere)
Bei der Erfassung von Reproduktionsgewässern müssen selbst vollständig technisch verbaute, vegetationslose Rinnsale und ganz flach überrieselte Flächen von wenigen Quadratmetern in Betracht gezogen werden, soweit sie eine permanente Wasserführung und durchgehende Besonnung aufweisen. Wegen der hohen Mobilität von Orthetrum brunneum und der Neigung, selbst an nicht oder nur sporadisch geeigneten Gewässern aufzutreten, ist die gezielte Ermittlung der Bodenständigkeit bzw. des Reproduktionserfolges wichtig.
Für eine effektive Erfassung werden mindestens 4 Begehungen empfohlen, davon mindestens 2 während der Schlupfzeit (Juni bis Mitte Juli) mit Suche nach frisch geschlüpften Imagines und Exuvien. Bei 1–2 weiteren Begehungen bis Ende August (ggf. Anfang September) sollte auf eierlegende Tiere geachtet werden. Imagines sind hauptsächlich bei voller Besonnung vom späten Vormittag bis frühen Nachmittag am Gewässer aktiv.
Von einzelnen Individuen beflogene Gewässer sind nicht automatisch als Reproduktionsgewässer anzusehen. Der Gewässerstatus ist über die Beobachtung mehrerer Tiere am gleichen Ort (Status B – Reproduktion möglich), beobachtete Eiablagen (Status C – Reproduktion wahrscheinlich) oder Funde von älteren Larvenstadien, Exuvien bzw. frisch geschlüpften Tieren (Status D – Reproduktion nachgewiesen) zu definieren.
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
Daten ungenügend
gleichbleibend
Im Tief- und Hügelland Sachsens zerstreut vorkommend mit Fundortkonzentrationen in den Braunkohle- und Kiesabbaugebieten. Generell kann überall, mit Ausnahme der höheren Gebirgslagen, mit dem kurzzeitigen Auftreten der Art gerechnet werden, sofern geeignete Lebensräume neu entstehen.
Fortpflanzungsstätten: Primärhabitate stellen vermutlich Auentümpel und periodisch überstaute Flächen in den Auen der größeren Flüsse dar. Gegenwärtig ist die Art in Sachsen überwiegend in Sekundärbiotopen zu finden vor allem an Gräben und kleinen Gewässern in Kiesgruben und der Tagebaufolgelandschaft, außerdem an Regenrückhaltebecken, vegetationsarmen Gräben und Rinnsalen, selbst wenn diese einen starken technischen Verbau und fehlende Vegetation aufweisen. An Teichen werden meist die Abflussbereiche und -gräben mit stark erwärmtem Wasser besiedelt. Die Art fliegt als eine der wenigen Libellenarten auch an Gräben mit stärkerer Eisenockerausfällung und besiedelt als eine der ersten Pionierarten frisch totalberäumte Entwässerungsgräben.
Ruhe- und Jagdstätten: Jagd- und Ruhehabitate umfassen alle Typen von Offen- und Halboffenbiotopen im Umfeld, aber auch fernab der Gewässer. Wälder werden gemieden. Gern werden offene, voll besonnte, vegetationslose Stellen an Wegen, Gesteinsansammlungen, Rohbodenflächen und Lagerplätzen zum Sonnen genutzt.
Hinweise zur Abgrenzung von Populationen: regionale Abstufung unterhalb der Ebene Landkreis (z. B. Abbaugebiet, Grabensystem, Teichgruppe)
Da die Art in Sachsen vorrangig in Ersatzlebensräumen vorkommt, ist die Abhängigkeit von diesen momentan sehr groß. Infolge von Sukzessionsprozessen nimmt die Habitateignung dieser Lebensräume natürlicherweise schnell ab. Maßnahmen, die diese Prozesse beschleunigen (Rekultivierung) oder gar zur Lebensraumzerstörung führen (z. B. Verfüllung der entstandenen Hohlformen), sollten deshalb vermieden werden.
Offizieller Artensteckbrief des LfULG; Stand: 10.02.2014; Bearbeiter: Marko Olias und Dr. André Günther (Naturschutzinstitut Freiberg); Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: Heiner.Blischke@smul.sachsen.de
Legende zum Artensteckbrief unter: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22872.htm; Informationen zur Artengruppe für Sachsen: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22988.htm