Myriophyllum heterophyllum Michx. / Verschiedenblättriges Tausendblatt

Synonyme


Myriophyllum tritoni

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Rote Liste Sachsen:(*)

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

Myriophyllum heterophyllum gehört zur Familie der Seebeerengewächse (Haloragaceae). Die zugehörige Gattung der Tausendblätter umfasst 60 Arten. Die Gattung ist fast weltweit verbreitet, die meisten Arten sind in Australien zu finden.

Kennzeichen

Immergrüne Wasserpflanze, die sowohl untergetaucht (submers) als auch an der Wasseroberfläche flutend oder über der Wasserfläche (emers) wachsen kann. Ähre vielblütig, aufrecht über der Wasseroberfläche. Tauchblätter einfach gefiedert und meist in 4-5 (6) zähligen Quirlen. Die Fiederblätter sind bis zu 500 mm lang und an den älteren Sprossteilen viel länger als die Internodien. Je nach Wassertemperatur werden völlig verschiedene Blätter ausgebildet: von 12 bis 16 °C fiederteilige Laubblätter mit 5 bis 20 fadenförmigen und mehr oder weniger wechselständigen Abschnitten, von 20 bis 25 °C ungeteilte, gezähnte Blätter).Typisch ist zudem, dass vor allem in den älteren Sprossachsenabschnitten die Blätter z. T. nicht im Wirtel angeordnet sind. Verwechslungsmöglichkeit mit den einheimischen Arten M. spicatum und M. verticillatum.

Biologie und Ökologie

Wuchsverhalten: bildet oft dichte Kolonien bis hin zu Dominanzbeständen. Bestandsdichten von > 3 kg Trockenmaterial pro m² möglich. Zum Spätsommer hin werden die anders geformten Blätter gebildet, wodurch eine leichtere Unterscheidung der Art möglich ist.
Vegetative Ausbreitung: kleinste Pflanzenbruchstücke (teilweise sogar ein einzelnes Blatt) reichen aus, um neue Pflanzen auszubilden. Aus einem Sprossabschnitt können theoretisch bis zu 250 Mio. Pflanzen/Jahr entstehen.
Generative Ausbreitung: in Deutschland keine
Verbreitungswege: Fernausbreitung durch Wasservögel sowie durch Mahd, Angeln und Bootsverkehr.

Überregionale Verbreitung

Herkunftsgebiet: nordöstliche USA, zentrale südliche USA, südöstliche USA 
Aktuelle Verbreitung in Europa: Österreich, Frankreich, Niederlande, Spanien, Schweiz und Belgien. Zeigt aktuell besonders im westeuropäischen Raum eine starke Tendenz zur Ausbreitung.
Aktuelle Verbreitung in Deutschland: Punktuell bekannt aus Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern. Stärkere Häufung in Sachsen und Brandenburg (www.deutschlandflora.de).

Prüfung und Erfassung


Sonstige Arten-Attribute

  • Invasive gebietsfremde Art der Unionsliste der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 inkl. aller Ergänzungen
  • Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2017/1263 vom 12. Juli 2017
  • Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertung für gebietsfremde Gefäßpflanzen (BfN-Skripten 352)

Vorkommen


Status Etablierung

Neobiota, etabliert

Bemerkungen Neobiota

(*) Neobiota etabliert, stabil oder in Ausbreitung befindlich

Nachweisabsicherung

Nein

Kurzfristiger Bestandstrend

deutliche Zunahme

Bestand

Aktuelle Verbreitung in Sachsen: Zerstreut im Tiefland vorkommend. Massenhafte Vorkommen im Elster-Saale-Kanal bei Leipzig. Im Hügel- und unteren Bergland ist die Art selten. In der Oberlausitz in stehenden Gewässern: „Gegenwärtig massenhaft in den Angelgewässern um Weißwasser, außerdem in einem Sandausstich bei Hosena“ (Otto 2012).

Verbreitung und Einbürgerung

Einbürgerungszeit: Einige Jahre vor 1919 in einem Tümpel in der Dresdener Heide ausgebracht und wiederholt beobachtet (Engmann 1919). 1940 im Barschsee bei Rückersdorf (Brandenburg) große Bestände (Pietsch & Jentsch 1984). Um 1942 in Leipzig gefunden (Stricker 1962). Seit 1962 aus dem Elster-Saale-Kanal bekannt.
Einbürgerungsgrad in Sachsen: vollständig
Einbürgerungsweise: durch Aquaristik im Handel angeboten und ausgebracht

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Lebensraum


Lebensraum im Herkunftsgebiet: Seen, Teiche, Flüsse und Sümpfe, kann auch in einer semi-terrestrischen Form wachsen
Lebensraum in Sachsen: Meso- bis eutrophe stehende und fließende Gewässer. Bevorzugt flache, strahlungsreiche Gewässer. Wächst meist bis in Tiefen von ca. 5 m, in klaren Gewässern auch bis in 10 m Tiefe nachgewiesen. Das Temperaturoptimum der Art liegt bei ca. 20-25°C.

Ökologische Charakterisierung

  • Gewässer

Höhenstufen

  • collin
  • hochmontan
  • montan
  • planar
  • subalpin

Management


Beurteilung

Naturschutzfachliche Beurteilung:
• Dominanzbestände der Art gefährden die biologische Vielfalt in Gewässern. Davon sind nach Beobachtungen in den USA möglicherweise auch Fische und Wasservögel betroffen. Im Elster-Saale-Kanal möglicherweise Verdrängung von Ranunculus circinatus, Potamogeton lucens und Utricularia spec., die in den 60er Jahren noch mehrfach dort zu finden waren, durch Myriophyllum heretophyllum.
• Veränderung von Nahrungsbeziehungen, da Phenole als Fraßschutz in der Pflanze enthalten sind (Onion 2004)

Betroffene Schutzgüter: natürliche und naturnahe stehende und langsam fließende Binnengewässer

Wirtschaftliche Beurteilung: Betroffene Gewässer mit Massenbeständen der Art verhindern eine anthropogene Nutzung (Schifffahrt, Tourismus).

Negative gesundheitliche Auswirkungen: Keine gesundheitlichen Auswirkungen bekannt oder zu erwarten.

Wissensdefizite in Sachsen:
• Verdrängung heimischer Wasserpflanzen
• genauer Ausbreitungsverlauf

Fazit für Sachsen: Es liegen gegenwärtig zu wenige Kenntnisse sowohl über die Verdrängung heimischer Wasserpflanzen als auch über den Ausbreitungsverlauf der Art vor, um die Problematik abschätzen zu können.

Management

Hinweis: Ausführlichere Informationen zu den Managementmaßnahmen sind im bundeseinheitlich abgestimmten Management-und Maßnahmenblatt zu finden unter: https://www.natur.sachsen.de/download/Landeskonzept_Verschiedenblaettriges_Tausendblatt.pdf. Die Priorisierung der einzelnen Managementmaßnahmen im Freistaat Sachsen kann unter: https://www.natur.sachsen.de/download/Landeskonzept_Umgang_invasive_Arten_03_2020_Internet.pdf eingesehen werden.

Präventive Maßnahmen:
• Öffentlichkeitsarbeit zur Verhinderung einer absichtlichen Ausbringung
• Handelsverbot infolge der EU-Verordnung Nr. 1143/2014
• Zur Früherkennung ist ein systematisches Monitoring von Vorkommen v.a. in der Nähe von gefährdeten Biotopen empfehlenswert (Schmiedel et al. 2015).

Beseitigungs- und Managementmaßnahmen:
• Beseitigung von Populationen durch Ausreißen/Ausspülen: Manuelle Beseitigung bei einzelnen Exemplaren, zusätzlich technische Beseitigung durch (Saug-)Bagger oder Spüler (Hydro-Venturi-Systeme) bei größeren Populationen. Beseitigung von Rhizomen ist erforderlich. Entweichen von Rhizom- und selbst kleinen Sprosssegmenten ist besonders bei Fließgewässern zu verhindern,
• Eine Mahd der Bestände hat sich bislang oft als nur wenig effektiv erwiesen. Die Durchführung der Mahd im Winter könnte die Effizienz der Maßnahme nach Hussner & Krause (2007) steigern, was jedoch bisher noch unzureichend belegt ist.

Nicht zu empfehlende Maßnahme: Der Einsatz von Herbiziden hat negative Auswirkungen auf andere Organismen (Schmiedel et al. 2015).

Handlungsbedarf: Handlungsbedarf für ein Management ist aus Sicht des Naturschutzes, der Wasser- und Fischereiwirtschaft in zahlreichen Einzelfällen gegeben und kann bei bestimmten Nutzungen (landwirtschaftliche Nutzung, Energiegewinnung, Freizeitnutzung) notwendig sein.

Für das Management von Neobiota in Sachsen beachten Sie auch die offiziellen Internet-Seiten: https://www.natur.sachsen.de/management-verbreiteter-invasiver-arten-20698.html

Zentrales Medium für die Sammlung von Artdaten in der Naturschutzverwaltung des Freistaates Sachsen ist die Zentrale Artdatenbank (ZenA) beim LfULG: https://www.natur.sachsen.de/zentrale-artdatenbank-zena-sachsen-6905.html;

Aktuelle Übersichtskarten der Verbreitung von Arten in Sachsen können in Artdaten-Online abgerufen werden: https://www.natur.sachsen.de/artdaten-online-darstellung-von-inhalten-der-zentralen-artdatenbank-im-internet-21860.html

Handlungsbedarf Neobiotamanagement

Handlungsbedarf Neobiotamanagement

Handlungsbedarf für ein Management in zahlreichen Einzelfällen vorhanden

Sonstiges


Literatur

Sachsen:
Engmann (1919): Dresden, Wasserrose, Versammlung vom 31. Mai. Blätter für Aquarien- und Terrarienkunde 30, S. 183-184.
Casper, S.J., Jentsch, H. & Gutte, P. (1980): Beiträge zur Taxonomie und Chorologie europäischer Wasser- und Sumpfpflanzen. 1. Myriophyllum heterophyllum bei Leipzig, Finsterwalde und Spremberg. Hercynia 17(4), S. 365-374.
Gutte, P. (2001): Sachsens Neophyten – eine Übersicht. In: Brandes, D. (Hrsg.) Adventivpflanzen. Beiträge zu Biologie, Vorkommen und Ausbreitungsdynamik von Archäophyten und Neophyten in Mitteleuropa. Tagungsbericht des Braunschweiger Kolloquiums vom 3.-5. November 2000. Braunschweig, S. 151-160.
Gutte, P. (2006): Flora der Stadt Leipzig einschließlich Markkleeberg. Weissdorn-Verlag, Jena, 278 S.
Gutte, P., Hardtke, H.-J., & Schmidt, P. (2013): Die Flora Sachsens und angrenzender Gebiete. Ein pflanzenkundlicher Exkursionsführer. Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim, 983 S.
Hardtke, H.-J., Ihl, A. (2000): Atlas der Farn- und Samenpflanzen Sachsens. In: Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie (Hrsg.). Materialien zu Naturschutz und Landschaftspflege. Dresden. 806 S.
Hardtke, H.-J., Klenke, F. & Müller, F. ( 2013): Flora des Elbhügellandes und angrenzender Gebiete. Sandstein Verlag, Dresden, 718 S.
Otto, H.-W. (2012): Die Farn- und Samenpflanzen der Oberlausitz. Verzeichnis der in der sächsischen und brandenburgischen Oberlausitz wildwachsenden Gefäßpflanzen sowie der forst- und landwirtschaftlichen Nutzpflanzen und der verwilderten Zierpflanzen. Berichte der Naturforschenden Gesellschaft der Oberlausitz, Supplement zu Band 20, Görlitz.

Weiterführende Literatur:
Hussner, A. & Krause, T. (2007): Zur Biologie des aquatischen Neophyten Myriophyllum heterophyllum Michaux in Düsseldorfer Stadtgewässern (Biology of the alien aquatic plant Myriophyllum heterophyllum Michaux in urban city lakes of Düsseldorf). Acta Biologica Benrodis 14, S. 67-76.
Hussner A. & Krause T. (2007): Zur Biologie des aquatischen Neophyten Myriophyllum heterophyllum Michaux in Düsseldorfer Stadtgewässern. Acta Biologica Benrodis 14, S. 67-76.
Kowarik, I. (2010): Biologische Invasionen: Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa. 2. Aufl., Ulmer, Stuttgart, 492 S.
Nehring, S., Kowarik, I., Rabitsch, W. & Essl, F. (2013): Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen für in Deutschland wild lebende gebietsfremde Gefäßpflanzen. BfN-Skripten 352. http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/skript352.pdf
Onion, A.M. (2004): Herbivore resistance in invasive and native Myriophyllum spicatum and Myriophyllum heterophyllum. Masterarbeit, Cornell University, 46 S.
Pietsch W. & Jentsch H. (1984): Zur Soziologie und Ökologie von Myriophyllum heterophyllum Mich. in Mitteleuropa. Gleditschia 12, S. 303-355.
Schmiedel, D., Wilhelm, E.-G., Nehring, S., Scheibner, C., Roth, M. & S. Winter (2015): Management-Handbuch zum Umgang mit gebietsfremden Arten in Deutschland. Band 1: Pilze, Niedere Pflanzen und Gefäßpflanzen. Naturschutz und Biologische Vielfalt 141/1. Bonn- Bad Godesberg, Landwirtschaftsverlag.
Wimmer W. & Schrei J. (1995) Verschiedenblättriges Tausendblatt Myriophyllum heterophyllum Michaux in Niedersachsen eingebürgert. Naturschutz Nachrichten Salzgitter 15-16, S. 20-22.
Wimmer, W. (1997): Myriophyllum heterophyllum Michaux in Niedersachsen und Bremen sowie seine Bestimmung im vegetativen Zustand. Floristische Rundbriefe 31, S. 23-31.

Links:
http://www.neobiota.de/12601.html , abgerufen am 08.06.2015
http://www.korina.info/?q=node/191 , abgerufen am 08.05.2015
http://www.lanaplan.de/public/index/rubrik/Makrophyten/artikel/Massenentwicklung%20von%20Wasserpflanzen  , abgerufen am 08.05.2015
http://neobiota.naturschutzinformationen-nrw.de/site/nav3/ArtInfo.aspx?Art=Pflanzen&ID=0945de4f-758d-4c91-97dd-f3c1d446eead , abgerufen am 08.05.2015
http://alienplantsbelgium.be/content/myriophyllum-heterophyllum , abgerufen am 11.05.2015
http://www.aquarium-ratgeber.com/aquarienpflanzen/tausendblatt/verschiedenblaettriges-tausendblatt.html , abgerufen am 11.05.2015

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG; Stand: 05.07.2015; Bearbeiter: Dr. Uta Kleinknecht, Uta Glinka (IVL); Aktualisierung (14.08.2020): Ulrike Heffner (LfULG)
Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: ulrike.heffner@smul.sachsen.de 
Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html 
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/farn-und-samenpflanzen-21684.html 
Informationen zu Neobiota: https://www.natur.sachsen.de/biologische-invasionen-neobiota-20683.html