Dikerogammarus villosus (Sowinsky, 1894) / Donau-Flohkrebs

Allgemeine Arteninformationen


Kennzeichen

Ein bis zu 21 mm groß werdender Flohkrebs. Der gekrümmte Körper ist seitlich abgeplattet mit zwei dicken Antennenpaaren am Kopf versehen. Die Tiere sind leicht durchscheinend, die Färbung ist variabel hell mit dunkler Bänderung und rötlichen Antennen. Am Rückenende, auf dem sogenannten Urosom, besitzt er zwei auffällige Höcker, welche neben der auffälligen Größe der Tiere zur deutschen Namensgebung beitrugen. Die Behaarung des Flagellum an der 2. Antenne ist länger als die Flagellumglieder, an der Antennenbasis ist nur eine lockere Behaarung zu finden. Diese Merkmale unterscheiden die Art von den naheverwandten ähnlichen und ebenso gebietsfremden Arten D. haemobaphes und D. bispinosus.

Biologie und Ökologie

Lebensweise: Die Tiere halten sich bevorzugt in Fließgewässern unter Steinen am Bodengrund oder in Spalten und Ritzen auf. Dort können sie sich mit ihren beinartigen Peraeopoden spreizend festklammern. Kleinere Tiere leben in Algenpolstern auf festem Untergrund. Beuteerwerb erfolgt durch Einfangen und Festhalten mit den Beinen und Zerkauen mit den kräftigen Mundwerkzeugen.
Lebenserwartung: Nicht bekannt.
Laichverhalten: Geschlechtsreif ab ca. 4 bis 8 Wochen bzw. einer Körperlänge ab 6 mm. Reproduktion findet bei Wassertemperaturen ab 13 °C statt. Die Weibchen legen ca. 30 Eier ab. Die Körpergröße beim Schlupf liegt bei etwa 1,8 mm.
Nahrungsspektrum: Ernährt sich überwiegend räuberisch von anderen Wirbellosen, insbesondere anderen Vertretern der Gammaridae, aber auch Fischlaich und kleinen Fischen. Jüngere Tiere fressen auch Pflanzenteile und Detritus.
Territorialverhalten: -
Populationsdichte: -

Überregionale Verbreitung

Herkunftsgebiet: Pontokaspisch: Die Art stammt aus den Unterläufen der großen Flüsse, die zum Schwarzen Meer fließen. Die Art hat lange Zeit die Donau nur bis zum Mittellauf besiedelt.
Aktuelle Verbreitung in Europa: Außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes heute in nahezu allen mitteleuropäischen Staaten aus allen großen Flüssen bekannt. Seit 2010 auch in Großbritannien. In Italien in Seen des Voralpengebietes (Gardasee), auch im nördlichen Alpenvorland mittlerweile aus vielen Seen bekannt (Bodensee, Züricher See). Fehlt in Dänemark, Skandinavien und auf der Iberischen Halbinsel.
Aktuelle Verbreitung in Deutschland: Ausbreitung erfolgte zuerst von der Donau über den 1993 fertiggestellten Donau-Main-Kanal zum Rhein, wo er 1995 erstmals auftrat. Heute flächendeckend an allen größeren Flüssen und Schifffahrtskanälen verbreitet. Insbesondere entlang von Donau, Rhein, Main, Elbe, Oder, den größeren Zuflüssen wie Havel und Spree sowie in den großen Kanälen wie Main-Donau-Kanal, Mittellandkanal oder Elbe-Havel-Kanal.

Prüfung und Erfassung


Sonstige Arten-Attribute

  • Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertung für gebietsfremde aquatische Pilze, Niedere Pflanzen und Wirbellose Tiere (BfN-Skripten 458)

Vorkommen


Status Etablierung

Neobiota, etabliert

Nachweisabsicherung

Nein

Bestand

Aktuelle Verbreitung in Sachsen: In Sachsen ist die Art bisher nur aus der Elbe bekannt. Dort ist sie offenbar mit mehr oder weniger großen Lücken verbreitet. Die Vorkommen sind auf naturferne Bereiche des Flusses beschränkt, beispielsweise solche mit Steinschüttungen und erhöhtem Wellenschlag.

Verbreitung und Einbürgerung

Einbürgerungszeit: Keine genaue Datierung des ersten Auftretens in Sachsen.
Einbürgerungsgrad in Sachsen: Die Art ist in der Elbe eingebürgert.
Einbürgerungsweise: Überwiegend durch aktive Ausbreitung nach Wegfall von Barrieren infolge des Baus von Schifffahrtskanälen. Ausbreitung hat in Sachsen dabei stromaufwärts in der Elbe stattgefunden. Möglicherweise auch durch Ballastwasser von Schiffen.

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Lebensraum


Lebensraum im Herkunftsgebiet: Die Art besitzt eine große Anpassungsfähigkeit an verschiedene aquatische Habitate. Sowohl in langsamfließenden Strömen und Flüssen als auch im Brackwasser der Küsten. Kann Gewässer mit sehr unterschiedlicher Temperatur und Salinität besiedeln. Bewohnt zudem Gewässer mit verschiedensten Sohlsubstraten, v. a. Hartsubstrate, jedoch keine sandigen Gewässergründe.
Lebensraum in Sachsen: In der Elbe. Besiedelt Flussabschnitte mit Hartsubstraten wie Blocksteinen, Schotterbefestigungen, Spundwänden sowie Bereiche mit erhöhtem Wellenschlag.

Habitatkomplexe

  • Fließgewässer, Quellen

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Fließgewässer, Quellen

Ökologische Charakterisierung

  • Eurytope Arten

Höhenstufen

  • planar

Management


Beurteilung

Naturschutzfachliche Beurteilung: Die Art hat offenbar negative Auswirkungen auf die Artenzusammensetzungen des Makrozoobenthos durch Verdrängung anderer Flohkrebse als Konkurrent und Fraßfeind. Erheblicher Fraßdruck auch auf andere Gammarus spp., Chelicorophium spp. und aquatische Insektenlarven sowie Fraß von Fischlaich und gelegentlich Kleinfischen. An manchen Flüssen fiel das Auftreten der Art mit dem Verschwinden der Flusskahnschnecke (Theodoxus fluviatilis) zusammen, so dass ein Zusammenhang wahrscheinlich ist.

Wirtschaftliche Beurteilung: Als potenzieller Fressfeind von Fischen relevant.

Negative gesundheitliche Auswirkungen: -

Wissensdefizite in Sachsen: Verbreitung in der Elbe und in den größeren Nebenflüssen, Auswirkungen auf Makrozoobenthos und übrige aquatische Fauna.

Fazit für Sachsen: Für Sachsen liegen noch keine konkreten Kenntnisse über Beeinträchtigungen durch die Art, die derzeit nur aus der Elbe bekannt ist, vor, jedoch sind negative Auswirkungen auf die aquatische Fauna (insbesondere Makrozoobenthos) möglich.

Management

Präventive Maßnahmen: Ein Besitz und Vermarktungsverbot wird empfohlen (Scheibner et al. 2015).

Bekämpfungsstrategien: keine

Weitere Managementmaßnahmen: keine

Nicht zu empfehlende Maßnahmen: keine

Handlungsbedarf: Gegenwärtig überwiegend gering oder nicht vorhanden. Jedoch ist Art bezüglich Ausbreitung und Auswirkungen auf die aquatische Fauna (insbesondere Makrozoobenthos) sorgfältig zu beobachten.

Zentrales Medium für die Sammlung von Artdaten in der Naturschutzverwaltung des Freistaates Sachsen ist die Zentrale Artdatenbank beim LfULG: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/8048.htm ;
Aktuelle Übersichtskarten der Verbreitung von Arten in Sachsen können unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/ida</p  

Weitere Informationen

Zentrale Artdatenbank Sachsen am LfULG

Handlungsbedarf Neobiotamanagement

Handlungsbedarf Neobiotamanagement

Handlungsbedarf für ein Management überwiegend gering oder nicht vorhanden

Sonstiges


Literatur

Weiterführende Literatur:
Arndt, E.; Fiedler, S. & Böhme, D. (2009): Effects of invasive benthic macroinvertebrates on assessment methods of the EU Water Frame Work Directive. Hydrobiologica 635, S. 309-320.
Grabow, K.; Eggers, T. O. & Martens, A. (1998): Dikerogammarus villosus Sovinsky (Crustacea: Amphipoda) in norddeutschen Kanälen und Flüssen. Lauterbornia 33, S. 103-107.
Kinzelbach, R. (1996): Die Neozoen. - In: Gebhardt, H.; Kinzelbach, R. & Schmidt-Fischer, S. (1996): Gebietsfremde Tierarten. Landsberg, Ecomed, S. 3-14.
Müller, R. & Peschel, T. (2007): Eingebürgerte Arten des Makrozoobenthos und der submersen Makrophyten in Berliner Gewässern. Planungsbüro Hydrobiologie Berlin im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, 44 S.
Müller, O.; Zettler, M. & Gruszka, P. (2001): Verbreitung und Status von Dikerogammarus villosus (Sovinsky, 1894) (Crustacea: Amphipoda) in der mittleren und unteren Strom-Oder und den angrenzenden Wasserstraßen.- Lauterbornia 41, S. 105-122.
Mürle, U.; Becker, A. & Rey, P. (2003): Ein neuer Flohkrebs im Bodensee. - www.bodensee-ufer.de
Petermeier, A.; Schöll, F. & Tittizer, T. (1996): Die ökologische und biologische Entwicklung der deutschen Elbe. Ein Literaturbericht. Lauterbornia 24, S. 1-95.
Scheibner, C., Roth, M., Nehring, S., Schmiedel, D., Wilhelm, E. & Winter, S. (2015): Management-Handbuch zum Umgang mit gebietsfremden Arten in Deutschland. Band 2: Wirbellose Tiere und Wirbeltiere. Naturschutz und Biologische Vielfalt 141/2. Bonn - Bad Godesberg, Landwirtschaftsverlag .
Schöll, F.; Becker, C. & Tittizer, T. (1995): Das Makrozoobenthos des schiffbaren Rheins von Basel bis Emmerich 1986-1995. Lauterbornia 21, S. 115-137.
Tittizer, T. (1996): Vorkommen und Ausbreitung aquatischer Neozoen (Makrozoobenthos) in den Bundeswasserstraßen. In: Gebhardt, H.; Kinzelbach, R. & Schmidt-Fischer, S. (1996): Gebietsfremde Tierarten. Landsberg, Ecomed, S. 49-86.

Links: http://www.europe-aliens.org/pdf/Dikerogammarus_villosus.pdf

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG; Stand: 05.07.2015; Bearbeiter: Jens Kipping;
Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: ulrich.zoephel@smul.sachsen.de
Legende zum Artensteckbrief unter: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22872.htm;
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/23211.htm
Informationen zu Neobiota: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/34835.htm