Charadrius dubius (Scopoli, 1786) / Flussregenpfeifer

Synonyme


Flußregenpfeifer

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:SG (streng geschützt)
Rote Liste Deutschland:V (zurückgehende Art lt.Vorwarnliste, zurückgehende Pflanzengesellschaften (keine Gefährdungskategorie!))
Rote Liste Sachsen:* (derzeit keine Gefährdung)

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

3 Unterarten, in Mitteleuropa brütet die Unterart Charadrius dubius curonicus (Gmelin, 1789)

Kennzeichen

Der Flussregenpfeifer ist ein kleiner (ca. 15 cm) kontrastreich gefärbter Watvogel mit kurzem schwarzen Schnabel und relativ kurzen Beinen. Rücken, Scheitel und Flügeloberseite sind erdbraun. Stirn, Kehle, Nackenband und Unterseite sind weiß und kontrastreich von der im Brutkleid schwarzen Stirn-Augen-Wangen-Maske und dem schwarzen Brustband abgesetzt. Die Beine sind bräunlich-fleischfarben und die schwarzen Augen sind im Gegensatz zu den anderen Regenpfeifern von einem auffallend gelben Lidring umgeben. Beide Geschlechter sind gleich gefärbt. Maske und Brustband sind im Schlichtkleid und bei Jungvögeln bräunlich.
Dem Flussregenpfeifer ähnlich ist der etwas kräftigere Sandregenpfeifer. Bei diesem ist das Brustband breiter, der Schnabel ist an der Basis orange, der gelbe Lidring fehlt, und im Flug hat er einen deutlichen weißen Flügelstreif. Zudem brütet der Sandregenpfeifer in Deutschland nur an Meeresküsten und in Küstennähe.

Biologie und Ökologie

Natürliche Bruthabitate des Flussregenpfeifers sind Schotter-, Kies-, Sand- und trockene Schlammufer von Flüssen und großen Seen. Heute nutzt er vor allem Abgrabungen und andere künstlich entstandene vegetationsarme Flächen mit kiesig-sandigem Substrat als Bruthabitat (z. B. Kohletagebaue, Kies- und Sandgruben, Spülfelder, Deponien, abgelassene Teiche). Der Flussregenpfeifer ist ein Bodenbrüter der sein Nest auf kahler, übersichtlicher Fläche mit kiesigem oder schotterigem Untergrund baut. Meist sind Gewässer in der Nähe, zumindest größere Pfützen oder andere temporäre Überstauungsbereiche, er brütet aber auch gewässerfern. Auf Sandflächen werden Stellen mit Steinchen oder Muscheln bevorzugt. Die Männchen drehen mehrere Nestmulden, von denen später eine zur Brut genutzt wird. Die Art ist meist Einzelbrüter, kann aber auch dicht nebeneinander brüten (Nestabstand < 10 m). In saisonaler Monogamie wird eine Jahresbrut mit 3-4 Eiern durchgeführt. Die Brutdauer beträgt 22-28 Tage. Die Jungen sind Nestflüchter, 24-29 Tage nach dem Schlupf sind sie flügge. Beide Altvögel brüten und führen die Jungen.
Als Nahrung dienen Insekten und Spinnen und daneben kleine Mollusken, Würmer, Krebstiere sowie Sämereien.
Der Flussregenpfeifer ist meist ein Langstreckenzieher mit Winterquartieren südlich der Sahara von der Küste West-Afrikas bis nach Somalia, Kenia und Tansania an der afrikanischen Ostküste. Schwerpunkte liegen in der Sahelzone und Ost-Afrika. Nur wenige Individuen überfliegen den Äquator. Nördlich der Sahara überwintert die Art fast nur in Ägypten, vereinzelt auch im Mittelmeerraum.

Überregionale Verbreitung

Der Flussregenpfeifer ist Brutvogel Eurasiens von den Kanarischen Inseln und Nordwestafrika bis Japan. Zwei Unterarten bewohnen den Indischen Subkontinent, Südost-Asien und die Inseln Indonesiens. Die Art brütet in fast ganz Europa, fehlt aber im atlantischen Norden und Nordwesten (Island, Schottland, Irland, Nord-Skandinavien) und kommt in Südeuropa mit zahlreichen Verbreitungslücken vor.
In Deutschland ist der Flussregenpfeifer mit Schwerpunkt im Tiefland fast flächendeckend verbreitet. Dichtezentren liegen in den großen Flusstälern, insbesondere von Elbe und Rhein (hier vor allem in Kiesabbaugebieten, an Elbe und Mulde aber auch in natürlichen Habitaten), in den Braunkohle-Tagebaugebieten des südlichen Ostdeutschlands sowie an naturnahen Flüssen des Alpenvorlands. Größere Verbreitunglücken bestehen vor allem in den höheren Lagen der Mittelgebirge.

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

ungünstig-unzureichend

Prüfung und Erfassung


Verantwortlichkeit (Sachsen)

Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 8,5 %

Hinweise für Artenschutzprüfung

  • Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
  • Gemeindegebiet als Bezugsraum für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfung

Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung

Brutvogelaspekt

Untersuchungsstandards

Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Hinweise: Durchzügler bis Mitte Mai beachten, auch danach nichtbrütende Trupps oder Einzelindividuen möglich, Scheinnisten kann Brut vortäuschen; Bestandsüberschätzung vermeiden (hohe Mobilität der Jungvögel, Ortswechsel der Familien nach dem Flüggewerden der Jungen)

Sonstige Arten-Attribute

  • Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im weiteren Sinne, Tab. 3)
  • Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
  • Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)

Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)

  • als Brutvogel: III.6 (mittel)
  • als Gastvogel: III.7 (mittel)

Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)

  • als Brutvogel: 3 (mittel)
  • als Gastvogel: 4 (gering)

Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)

  • als Brutvogel: 4 (relativ hoch)
  • als Gastvogel: 4 (relativ hoch)

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Status Vögel

Brutvogel, Gastvogel

Bemerkung zum Status

Sommervogel, Durchzügler

Nachweisabsicherung

Nein

Langfristiger Bestandstrend

  • gleichbleibend
  • deutliche Zunahme

Kurzfristiger Bestandstrend

gleichbleibend

Bestand

Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 400-600 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 500-700 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 500-700 BP (Brutvogelkartierung 3)

2016: 400-600 BP (Expertenschätzung)

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Naturraumkarte

Naturraumkarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Erläuterung Phänologie

Flussregenpfeifer kommen in den sächsischen Brutgebieten ab Mitte März an (1999-2009 vom 09.03. bis 26.03.). Erstbeobachtungen in der Oberlausitz liegen deutlich später als in Nordwest-Sachsen. Es wird zumeist eine Jahresbrut durchgeführt (Ersatzbruten nur in geringem Umfang). Die Brutzeit erstreckt sich von Mitte April bis Ende August mit Schwerpunkt Mai bis Juli. Bald nach dem Flüggewerden verlassen die Jungvögel die Brutplätze und streifen umher. Der Wegzug beginnt im Juni/Juli und ist meist im September beendet (adulte Tiere ziehen vor den Jungvögeln ab). Nur noch wenige Nachweise liegen im Zeitraum von Mitte Oktober bis Anfang November (Steffens et al. 1998, 2013).

Lebensraum


Natürliche Bruthabitate des Flussregenpfeifers in Sachsen sind Kies- und Schotterbänke größerer Flüsse außerhalb der Mittelgebirge (aktuell vor allem Vereinigte Mulde und Elbe unterhalb Meißen). Überwiegend brütet er jedoch in anthropogenen Lebensräumen, insbesondere in den Braunkohle-Bergbaufolgelandschaften nördlich und südlich von Leipzig und in der Lausitz sowie in den Kiesabbaugebieten an Elbe und Mulde. Daneben werden auch andere vegetationsarme Flächen mit meist sandig-kiesigem Substrat besiedelt (z. B. Sandgruben, Steinbrüche, flache Abraumhalden, Deponien, Kläranlagen, Spülflächen, abgelassene Teiche, Industrie-Absetzbecken, Baustellen, Uferzonen von Talsperren, Nassstellen auf Feldern, sandige Flächen im Wald, Flugplätze, Kiesdächer). Die Art brütet bevorzugt in Wassernähe. Die Brutplätze bestehen oft nur kurze Zeit. Neu entstandene geeignete Plätze werden sehr schnell besiedelt. Außerhalb der Brutzeit hält sich der Flussregenpfeifer gern auf größeren, abgetrockneten Schlammflächen auf.

Lebensräume nach Artenschutzrecht

Fortpflanzungsstätten:
Die Fortpflanzungsstätte umfasst das Brutrevier (mit Brutplatz, Balz, Territorialverhalten, Reviermarkierung) einschließlich des Aufzuchtreviers, in dem die noch nicht flugfähigen Jungen von den Altvögeln geführt werden. Das Brutrevier ist in der Regel 1-2 ha groß (Flade 1994), jedoch können schon kleine bodenoffene Areale von 20-50 m² als Brutplatz ausreichen (Südbeck et al. 2005). Brut- und Aufzuchtrevier können räumlich beieinander liegen oder die Altvögel führen die Jungen im Alter einiger Tage in günstigere Nahrungsgebiete abseits des Brutplatzes (z. B. bei gewässerfernen Bruten).

Ruhestätten:
Ruhestätten liegen zur Brutzeit innerhalb des Brut- und Aufzuchtreviers. Flussregenpfeifer schlafen liegend am (trockenen) Boden oder stehend auf einem Bein (Stiefel 1979). Außerhalb der Brutzeit regelmäßig aufgesuchte Rasthabitate gehören ebenfalls zu den Ruhestätten (der Flussregenpfeifer rastet meist nur in kleinen Individuengruppen).

Habitatkomplexe

  • Äcker und Sonderkulturen
  • Bergbaubiotope
  • Fels-/Gesteins-/Offenbodenbiotope
  • Fließgewässer, Quellen
  • Ruderalfluren, Brachen
  • Stillgewässer inkl. Ufer

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Äcker und Sonderkulturen
  • Bergbaubiotope
  • Fels-/Gesteins-/Offenbodenbiotope
  • Fließgewässer, Quellen
  • Stillgewässer inkl. Ufer

Höhenstufen

  • collin
  • montan
  • planar

Sonstiges


Literatur

Bernotat, D. & Dierschke, V. (2015): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen 2. Fassung - Stand 25.11.2015. (Studie als PDF-Datei)

Bezzel, E. (1985): Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Nonpasseriformes – Nichtsingvögel. AULA-Verlag, Wiesbaden.

Flade, M. (1994): Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands. IHW-Verlag, Eching.

Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.

Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)

Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.

Stiefel, A. (1979): Ruhe und Schlaf bei Vögeln. Die Neue Brehm-Bücherei 487. Ziemsen-Verlag, Wittenberg.

Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.

Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.

http://de.wikipedia.org/wiki/Flussregenpfeifer 

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG

Stand: 02.02.2022

Erstbearbeitung: 01.09.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Michael Reuter, Hans-Markus Oelerich (Halle)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022

Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.

Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html

Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html

Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html

Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de