Tringa totanus (Linnaeus, 1758) / Rotschenkel

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:SG (streng geschützt)
Rote Liste Deutschland:2 (stark gefährdet)
Rote Liste Sachsen:1 ((akut) vom Aussterben bedroht)

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

ca. 6 Unterarten, in Mitteleuropa brütet die Nominatform Tringa totanus totanus (Linnaeus, 1758)

Kennzeichen

Der Rotschenkel ist ein etwas über drosselgroßer schlanker Watvogel mit einem über kopflangen Schnabel (Basis orangerot, Spitze schwärzlich) und langen roten Beinen sowie einem weißen Augenring. Beide Geschlechter sind gleich gefärbt. Im Brutkleid ist die Oberseite graubraun mit dunkler Musterung. Hals und Brust sind auf hellem Grund dunkel gestrichelt (zum Bauch hin lichter werdend). Im Ruhekleid ist die Oberseite mehr grau und relativ einheitlich gefärbt. Die Unterseite ist weißlich und undeutlich fein gefleckt. Im Flug sind in allen Kleidern der dunklere Flügel mit dem breiten weißen Hinterrand und der weiße Hinterrückenkeil zu sehen. Der Schwanz ist schwarzweiß quergebändert.

Biologie und Ökologie

Der Rotschenkel ist überwiegend ein Küstenvogel (Salzwiesen, Dünentäler, Küstenmarschen, Boddeninseln) und im Binnenland deutlich seltener (Flussmarschen, offene Moore, feuchte Wiesen und Weiden, Gewässerverlandungszonen, flache Inseln in Gewässern).
Die Art brütet am Boden (meist in Wassernähe) und baut das Nest in etwa 15(-30) cm hoher Vegetation, die über dem Nest zu einer Haube zusammengezogen wird. Das Vollgelege enthält meist 4 Eier, die 22-24 Tage bebrütet werden (eine Jahresbrut). Nach dem Schlupf wechseln die Altvögel mit den Jungen oft in geeignete Aufzuchtgebiete. Mit 23-27 Tagen sind die Jungvögel flügge.
Als Nahrung dienen bodenbewohnende Wirbellose (insbesondere Insektenlarven, Weichtiere und Regenwürmer). Der pflanzliche Anteil ist unbedeutend.
Der Rotschenkel ist ein Langstrecken- bis Teilzieher. Die Winterquartiere liegen im atlantischen Europa (Island, Südküsten Skandinaviens, Nordseeraum), in Südeuropa, im Mittelmeergebiet, in Vorderasien, Arabien und Afrika bis südlich der Sahara. Die Brutvögel Deutschlands ziehen bis Süd-Frankreich, Portugal, Spanien und Italien.

Überregionale Verbreitung

Der Rotschenkel ist Brutvogel in der mediterranen bis borealen Zone Eurasiens von Island und der Iberischen Halbinsel im Westen bis zum Japanischen Meer im Osten. Er kommt auch in den Steppen und einigen Wüstengebieten Asiens vor.
In Europa brütet die Art vor allem in den Küstengebieten Nordwest-, Nord- und Mitteleuropas sowie in Osteuropa. Größere Bestände gibt es in Island, Großbritannien, Irland, den Niederlanden, Nordwest-Deutschland, Norwegen und Schweden. Im Binnenland kommt die Art nur inselartig in kleinen Populationen vor.
Der eindeutige Vorkommensschwerpunkt in Deutschland liegt in den Küstengebieten der Nordsee (vor allem auf Salzwiesen). Von dort dringt der Rotschenkel mit abnehmender Häufigkeit ins küstennahe Binnenland vor (Marschen, Flussmündungen, Feuchtgrünländer). Die niederländischen Vorkommen reichen am Niederrhein nach Deutschland hinein. In geringerer Häufigkeit ist auch die Ostseeküste besiedelt. Im Binnenland gibt es nur kleine zerstreut liegende Vorkommen (z. B. an Unterer Elbe, Unterer Havel, Mittlerer Oder, in der Oberlausitz und sehr lokal im mittleren Bayern).

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

ungünstig-schlecht

Prüfung und Erfassung


Verantwortlichkeit (Sachsen)

Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 0,1 %

Hinweise für Artenschutzprüfung

  • Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
  • Einzelvorkommen als Bezug für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfungen

Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung

Brut- und Gastvogelaspekt

Sonstige Arten-Attribute

  • Besonders störungsempfindlich (TK25-Viertelquadrant)
  • windkraftempfindlich
  • Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im engeren Sinne, Tab. 1+2)
  • Triggerart (Vögel) - Brut
  • Triggerart (Vögel) - Überwinterung
  • Brutvogelart der SPA-Erhaltungszieleverordnungen
  • Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
  • Brutvogelart in den SPA-Standarddatenbögen (neu) - Fortpflanzung
  • Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)

Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)

  • als Brutvogel: II.5 (hoch)
  • als Gastvogel: II.5 (hoch)

Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)

  • als Brutvogel: 2 (hoch)
  • als Gastvogel: 3 (mittel)

Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)

  • als Gastvogel: 3 (hoch)
  • als Brutvogel: 4 (relativ hoch)

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Status Vögel

Brutvogel, Gastvogel

Bemerkung zum Status

lokaler seltener Brutvogel (Sommervogel), Durchzügler

Nachweisabsicherung

Nein

Langfristiger Bestandstrend

starker Rückgang

Kurzfristiger Bestandstrend

  • gleichbleibend
  • deutliche Zunahme

Bestand

Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: - (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 0-6 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 10-15 BP (Brutvogelkartierung 3)

2016: 8-12 BP (Schätzung aufgrund Teilstichprobe)

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Naturraumkarte

Naturraumkarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Erläuterung Phänologie

Der Rotschenkel zieht in Sachsen in vergleichsweise geringer Zahl durch (meist Einzelvögel und kleine Trupps). Erste Heimzieher erscheinen Anfang März, der Hauptfrühjahrszug findet von Anfang April bis Mitte Mai statt. Der Wegzug beginnt Ende Juni/Anfang Juli, erreicht sein Maximum im August/September und klingt im Oktober aus. Einzelne Nachzügler werden noch im November festgestellt (Steffens et al. 1998).
Die Brutgebiete werden Ende März bis Mitte April besetzt. Anfang bis Ende April ist der Zeitraum intensiver Balz/Revierabgrenzung. Die Legeperiode reicht von Ende April bis Anfang Juli (meist Ende April bis Mitte Mai). Jungvögel schlüpfen ab Mitte Mai und sind ab Mitte Juni flügge (Südbeck et al. 2005).

Lebensraum


In Sachsen ist der Rotschenkel lokaler Brutvogel in der Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft und in den daran angrenzenden Bergbaufolgelandschaften. Die Art brütete in der jüngeren Vergangenheit vor allem auf (temporären) Inseln in gefluteten Tagebaurestgewässern sowie in (wieder)vernässten Grünlandbereichen, aber auch im Bereich von (teil)abgelassenen Teichen, früher auch im Stauwurzelbereich von Flachland-Talsperren und auf Feuchtwiesen der Flussauen. Der Rotschenkel benötigt ebene und offene Flächen, mit teils dichterer Vegetation, die eine versteckte Nestanlage mit Sichtschutz ermöglicht, aber auch Bereiche mit kurzer Vegetation und weichgründige Nassstellen und Flachwasserbereiche zur Nahrungssuche in der Nähe des Nestreviers. Rastvögel nutzen Feuchtgebiete aller Art, bevorzugt aber Schlammflächen, Flachwasserbereiche, abgelassene Teiche, temporäre Wasserlachen auf Feldern und Wiesen sowie Überschwemmungsbereiche.

Lebensräume nach Artenschutzrecht

Fortpflanzungsstätten:
Fortpflanzungsstätte ist das Brutrevier (mit Brutplatz, Balz, Revierverhalten) einschließlich des Bereichs in dem die Jungen nach dem Schlupf bis zum Flüggewerden geführt und aufgezogen werden. Das Aufzuchtsgebiet kann auch außerhalb des Brutreviers liegen. Der Raumbedarf beträgt zur Brutzeit an der Küste 2-5 ha, im Binnenland 10-50 ha (Flade 1994).

Ruhestätten:
Zur Brutzeit liegen die Ruhestätten im Brutrevier bzw. anschließend im Bereich der Jungenaufzucht. Durchzügler schlafen bevorzugt in gemischten Trupps im flachen Wasser (Stiefel 1979). Regelmäßig genutzte Rasthabitate (insbesondere Gewässer oder Teile davon, Feuchtgebiete, Überschwemmungsbereiche) gehören zu den Ruhestätten.

Habitatkomplexe

  • Bergbaubiotope
  • Feuchtgrünland, Staudenfluren
  • Fließgewässer, Quellen
  • Stillgewässer inkl. Ufer
  • Sümpfe, Niedermoore, Ufer

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Feuchtgrünland, Staudenfluren
  • Sümpfe, Niedermoore, Ufer

Höhenstufen

  • planar

Management


Handlungsbedarf aus Landessicht

  • Landeszielart des Biotopverbundes

Sonstiges


Literatur

Bernotat, D. & Dierschke, V. (2015): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen 2. Fassung - Stand 25.11.2015. (Studie als PDF-Datei)

Bezzel, E. (1985): Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Nonpasseriformes – Nichtsingvögel. AULA-Verlag, Wiesbaden.

Dürr, T. (2015a): Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland - Daten der zentrale Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg, Stand 01.06.2015. Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) des Landes Brandenburg. (Excel-Tabelle 'Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland')

Dürr, T. (2015b): Vogelverluste an Windenergieanlagen / bird fatalities at windturbines in Europe - Daten der zentrale Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg, Stand 01.06.2015. Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) des Landes Brandenburg. (Excel-Tabelle 'Vogelverluste an Windenergieanlagen in Europa')

Flade, M. (1994): Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands. IHW-Verlag, Eching.

Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.

SMEKUL – Sächsisches Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (2021): Leitfaden Vogelschutz an Windenergieanlagen im Freistaat Sachsen (Stand 1. Dezember 2021): https://www.natur.sachsen.de/download/Leitfaden-Vogelschutz-an-Windenergieanlagen.pdf.pdf

Rau, S.; Ulbricht, J. & Zöphel, U. (2009): Bestandssituation ausgewählter gefährdeter Tierarten in Sachsen – Jahresbericht 2008. Naturschutzarbeit in Sachsen 51, 60-79.

Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)

Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.

Stiefel, A. (1979): Ruhe und Schlaf bei Vögeln. Die Neue Brehm-Bücherei 487. Ziemsen-Verlag, Wittenberg.

Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.

Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.

http://de.wikipedia.org/wiki/Rotschenkel 

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG

Stand: 02.02.2022

Erstbearbeitung: 01.09.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Michael Reuter, Hans-Markus Oelerich (Halle);
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022

Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.

Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html

Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html

Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html

Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de