Tyto alba (Scopoli, 1769) / Schleiereule

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:SG (streng geschützt)
Rote Liste Deutschland:* (derzeit keine Gefährdung)
Rote Liste Hessen:3 (gefährdet)

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

Die Schleiereule ist auf allen Kontinenten verbreitet mit Ausnahme der Antarktis. Aktuell werden über 40 Taxa unterschieden. Diese werden in 8 näher verwandte Unterartgruppen zusammengefasst, die von manchen Autoren als separate Spezies aufgefasst werden. In Europa gibt es 5 Unterarten. Durch das westliche Deutschland verläuft mit einer breiten Mischzone die Grenze der westlich verbreiteten Unterart Tyto a. alba und der östlichen Tyto a. guttata. Sachsen liegt im Areal von T. a. guttata.

Kennzeichen

Die Schleiereule ist eine unverwechselbare Eulenart. Kennzeichnend ist ein herzförmiger, scharf abgegrenzter weißlicher Gesichtsschleier, den in dieser Form keine andere heimische Eulenart aufweist. Das Gefieder ist oberseits graumeliert mit ockerfarbenen Bänderungen. Bei der westlichen Unterart T. a. alba sind Bauch und Brust sowie der Gesichtsschleier rein weiß gefärbt. Tiere im östlichen Mitteleuropa (T. a. guttata) besitzen dagegen eine dunkel ockerfarbene Unterseite mit feiner dunkler Längsstrichelung, der helle Gesichtsschleier trägt um die Augen ein verwaschenes bräunliches Zentrum. Tiere im Überschneidungsbereich der Unterarten zeigen oft eine intermediäre Färbung.

Auffälligste Lautäußerung der Schleiereule ist der Gesang des Männchens, ein gedehntes Kreischen von etwa 2 Sekunden Dauer, das häufig im Flug geäußert wird. Warn- und Kontaktrufe der Alt- und Jungvögel umfassen zahlreiche fauchende, schnarchende oder kreischende Laute sowie Schnabelknappen.

Biologie und Ökologie

Die Schleiereule ist in Mitteleuropa als Kulturfolger streng an menschliche Siedlungen und Wirtschaftsformen gebunden. Brutplätze liegen vor allem in Dörfern, Einzelgehöften und Feldscheunen, regelmäßig aber auch in Kirchtürmen innerhalb von Städten. Bruten in Fels- oder Baumhöhlen sind in Deutschland selten. Zur Beutejagd werden mit Gehölzen aufgelockerte Acker- und Grünlandflächen, Brachen, Gärten, Ränder von Siedlungen und das Umfeld von Landwirtschaftsbetrieben genutzt. Voraussetzung für das Brüten ist ein ausreichendes Angebot an Nahrungsflächen im näheren Umfeld geeigneter Nistplätze und das Vorhandensein mehrerer sicherer Tageseinstände in und an Gebäuden. Im Winter ist der ungehinderte Zugang zu schneefreien Nahrungsflächen an und in Ställen und Scheunen notwendig.

Hauptbeutetiere der Schleiereule sind Kleinsäuger, vor allem Feldmäuse, aber auch alle anderen Arten von Wühlmäusen, Echten Mäusen (bis Rattengröße) und Spitzmäusen. Zu einem geringeren Teil sind Vögel und andere kleine Wirbeltiere oder Großinsekten Teil der Beute. Das bevorzugte Beutetiergewicht liegt bei 5-30 g.

Schleiereulen erreichen die Geschlechtsreife vor dem Ende des 1. Lebensjahres. Die Anzahl der Bruten schwankt nach der Menge der verfügbaren Nahrung. In Feldmausgradationsjahren können zwei oder drei Jahresbruten stattfinden, bei Nahrungsknappheit (Latenzjahre) schreitet ein hoher Teil der Brutpaare dagegen überhaupt nicht zur Brut. Die Gelegegröße schwankt je nach Nahrungsangebot und besteht bei den Erstbruten i. d. R. aus 4–7 Eiern (seltener 1–3 oder 9–12 Eier), bei Zweitbruten ist das Gelege im Durchschnitt größer. Die Eier werden 30–34 Tage vom Weibchen bebrütet, das vom Männchen gefüttert wird. Die Jungen verlassen mit 50-60 Tagen den Brutplatz. Im Alter von knapp 3 Monaten ziehen sie aus dem Elternrevier weg.

Schleiereulen sind überwiegend standorttreu, Wanderungen beschränken sich i. d. R. auf die Abwanderung der Jungvögel im Herbst. Bei hoher Individuendichte und schlechtem Nahrungsangebot können auch einige Altvögel wegziehen, ein hoher Anteil verbleibt jedoch in der Nähe des Brutgebietes (Bairlein et a. 2014). In schneereichen Wintern kommt es deshalb zu hohen Individuenverlusten.

Überregionale Verbreitung

Das fast weltweite Areal umfasst Teile von Nord- und Südamerika, Europa, das südliche Asien, Ozeanien und Australien. In Europa kommt die Schleiereule vor allem im Süden und Westen vor. Die östliche Verbreitungsgrenze verläuft durch Litauen, Weißrussland und die Ukraine. Sie fehlt in Skandinavien und Island. In Deutschland brüten 16.500 bis 29.000 Paare (Gedeon et al. 2014). Die höchsten Dichten werden im atlantisch geprägten Nordwesten erreicht, nach Osten und Süden wird die Art seltener. Nur geringe Dichten oder Verbreitungslücken bestehen in den kontinental geprägten östlichen Mittelgebirgen in Sachsen, Thüringen und Bayern sowie im Alpenvorland.

Vorkommen


Langfristiger Bestandstrend

starker Rückgang

Kurzfristiger Bestandstrend

deutliche Zunahme

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Sonstiges


Literatur

Baierlein, F.; Dierschke, J.; Dierschke, V. ; Salewski, V.; Geiter, O.; Hüppop, K.; Köppen, U. & Fiedler, W. (2014): Atlas des Vogelzugs. Ringfunde deutscher Brut- und Gastvögel. – Aula-Verlag Wiebelsheim: 567 S.

Bauer, H.-G., Bezzel, E. & Fiedler, W. (Hrsg.) (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel. – AULA-Verlag Wiebelsheim: 808 S.

Boye, P. (2003): Nagetiere in der Agrarlandschaft. – – In: Boye; P.; Meinig; H. (Hrsg.): Ökologie der Säugetiere 1. – Laurenti, Bielefeld: 158 S.

Brandt, T. & C. Seebass (1994): Die Schleiereule. Ökologie eines heimlichen Kulturfolgers. - Aula Verlag Wiesbaden: 152 S.

Fünfstück, H.-J., Ebert, A., Weiß, I. (2010): Taschenlexikon der Vögel Deutschlands. - Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim: 685 S.

Meining, H.; Boye, P. & Hutterer, R. (2009): Rote Liste und Gesamtartenliste der Säugetiere (Mammalia) Deutschlands. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (1): 115-153

Steffens, R., D. Saemann & K. Grössler (1998 ): Die Vogelwelt Sachsens. – Gustav Fischer Verlag, Jena-Stuttgart-Lübeck-Ulm: 530 S.

Steffens, R., Nachtigall, W., Rau, S., Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. – Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden: 656 S.

Stickroth, H. (2005): Brutvögel (Aves). - In: Günther, A., Nigmann, U., Achtziger, R. & Gruttke, H. (Bearb.) (2005): Analyse der Gefährdungsursachen von planungsrelevanten Tiergruppen in Deutschland. - Naturschutz und Biodiversität 21: 113-175

Südbeck, P., Andretzke, H., Fischer, S., Gedeon, K., Schikore, T. S., Schröder, K. & Sudfeldt, C. (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten und des Dachverbandes der Deutschen Avifaunisten DDA (Hrsg.) – Mugler Druck-Service, Hohenstein-Ernstthal: 790 S.

Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste und Gesamtartenliste der Brutvögel (Aves) Deutschlands. 4. Fassung, 30. November 2007. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (1): 159-227

Urs N. Glutz von Blotzheim (Hrsg.): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Mit einem Lexikon ornithologischer Fachbegriffe von Ralf Wassmann. Vogelzug-Verlag, Wiebelsheim 2004, ISBN 3-923527-00-4 (CD-ROM für Windows, MacOS, Unix usw., als PDF-Datei: 15.718 Buchseiten mit 3200 Abbildungen). Wolle, J. (1994): Hilfe für die Schleiereule. – Mitteilungen des Vereins sächsischer Ornithologen 7, Beilage 1, 18 S.