Anthus pratensis (Linnaeus, 1758) / Wiesenpieper

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:BG (besonders geschützt)
Rote Liste Deutschland:2 (stark gefährdet)
Rote Liste Sachsen:2 (stark gefährdet)

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

Die Nominatform besiedelt den größten Teil des Verbreitungsgebietes, Vögel aus Nordschottland und Irland werden als A. p. whistleri abgegrenzt.

Kennzeichen

Der Wiesenpieper ist ein etwa sperlingsgroßer, schlanker Singvogel mit graubrauner, meist etwas olivgrün getönter Oberseite und cremefarbiger bis schmutzig weißer Unterseite. Die Oberseite sowie Brust und Flanken sind kräftig dunkel gestreift bzw. gestrichelt. Die Unterscheidung vom sehr ähnlichen Baumpieper erfolgt am leichtesten durch die Stimme und die langen, wenig gekrümmten Krallen der Hinterzehen. Die Beine sind rosa gefärbt.

Biologie und Ökologie

Der Wiesenpieper ist in Mitteleuropa eine Charakterart des zumeist feuchten Grünlandes sowie von Heiden und waldfreien Mooren. Er besiedelt daneben auch größere Waldblößen und Kahlschläge sowie junge Sukzessionsflächen auf bindigen Böden. Die Bruthabitate zeichnen sich durch fehlende oder nur vereinzelte vorkommende Gehölze, aber das Vorhandensein erhöhter Sitzwarten, wie Koppelzäune, einzelne Hochstauden etc. aus. Die Bodenvegetation muss hinreichend Deckung für das Nest bieten, sollte aber die Fortbewegung und Nahrungssuche nicht behindern. Zur Zugzeit auch auf Äckern und Schlammflächen an Gewässerufern. Die Art ist ein Kurz- und Mittelstreckenzieher. Die Hauptüberwinterungsplätze der mitteleuropäischen Populationen liegen in SW-Europa und im Mittelmeergebiet, teilweise überwintern Wiesenpieper auch in Mitteleuropa. Die Brutvögel treffen stark witterungsabhängig meist im März in den Brutgebieten ein. Das Nest wird in einer Mulde am Boden angelegt, wobei Sichtschutz durch dichte Vegetation oder Böschungen von mindestens einer Seite, nach Möglichkeit auch von oben gesucht wird. Brutbeginn ist Ende März bis April, die Brutzeit kann bis in den August reichen. Heimische Wiesenpieper haben meist 2, selten 3 Jahresbruten mit 4-6 Eiern. Die Brutdauer beträgt durchschnittlich 13 Tage, die Jungen verlassen mit 10-14 Tagen das Nest, werden weitere ca. 9 Tage gefüttert, aber noch mindestens 2 Wochen bis maximal 40 Tage von den Altvögeln betreut. Während der Brutzeit verhalten sich die Männchen territorial, wobei sie in dicht besiedelten Lebensräumen Territorien von durchschnittlich 1 ha beanspruchen. Bei aneinander grenzenden Revieren kann ein bis zu 20 m breiter Streifen wechselnd von beiden Männchen beansprucht werden. Typisch für den Wiesenpieper ist ein räumlich konzentriertes Brüten mehrerer Brutpaare, bei dem kleinräumig hohe Siedlungsdichten erreicht werden können. Die großräumige Populationsstruktur ist unklar. Da geeignete Lebensräume schnell besiedelt werden können, ist davon auszugehen, dass keine Mindestpopulationen abgrenzbar sind.

Überregionale Verbreitung

Das Areal erstreckt sich von der Ostküste Grönlands über Mittel- und Osteuropa bis Westsibirien (Ob-Region). Europa beherbergt > 75 % des Weltbestandes. Die Südgrenze der Brutverbreitung verläuft von der Schweiz über die Slowakei und Zentral-Polen bis zur nördlichen Ukraine.

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

ungünstig-schlecht

Prüfung und Erfassung


Verantwortlichkeit (Sachsen)

Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 1,6 %

Hinweise für Artenschutzprüfung

  • Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
  • Einzelvorkommen als Bezug für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfungen

Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung

Brut- und Gastvogelaspekt

Untersuchungsstandards

Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005).

Zählung singender Männchen in den Morgenstunden sowie Erfassung warnender und fütternder Altvögel. Zur quantitativen Erfassung sollten mindestens 4 Begehungen im Zeitraum Anfang April bis Mitte Mai erfolgen. Bis Anfang Mai ist zusätzlich mit der Anwesenheit durchziehender Individuen zu rechnen, die auch in den Rastgebieten singen können. In der Erfassungspraxis wird die Größe von Wiesenpieperbeständen aufgrund des häufig versteckten Aufenthalts am Boden und der geringen Fluchtdistanz selbst bei hoher Anzahl von Begehungen in der Regel unterschätzt.

Sonstige Arten-Attribute

  • Fokusart im SPA-Management
  • Brutvogelart in den SPA-Standarddatenbögen (neu) - Fortpflanzung
  • Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Status Vögel

Brutvogel

Nachweisabsicherung

Nein

Langfristiger Bestandstrend

Rückgang, Ausmaß unbekannt

Kurzfristiger Bestandstrend

starke Abnahme

Bestand

Verbreitungsschwerpunkte in den höheren Lagen des Erzgebirges sowie in den Bergbaufolgelandschaften im Südraum Leipzig. Im übrigen Sachsen eher lückenhaft verbreitet und häufig nur noch sporadische Ansiedlungen. Häufiger Durchzügler im Gesamtgebiet.

Bestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):

1978-1982: 2.000-4.000 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 2.500-5.000 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 1.200-2.400 BP (Brutvogelkartierung 3)

2016: 500-1000 BP (Expertenschätzung)

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Naturraumkarte

Naturraumkarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Lebensraum


Fortpflanzungsstätten:

Offenlandstandorte mit speziellen Anforderungen an die Vegetationsdeckung (ausreichend freie Bodenfläche zur Nahrungssuche und Fortbewegung, aber auch hinreichende Deckung) und das Vorhandensein von Sitzwarten, z. B. in Form einzelner Hochstauden oder Pfähle. Gehölze werden nur in sehr geringer Dichte toleriert. Sukzessionsbedingter Aufwuchs, z. B. nach Einstellung der Mahd führt zur Entwertung der Brutgebiete. Der eigentliche Nistplatz liegt am Boden, gern im Bereich kleiner Böschungen und muss Sichtschutz nach mindestens einer Seite und nach oben aufweisen. Da die Nahrungssuche zur Brutzeit in der direkten Nestumgebung erfolgt, ist das gesamte Brutgebiet als Fortpflanzungsstätte aufzufassen.

Ruhestätten:

Zur Brutzeit identisch mit den Fortpflanzungsstätten, außerhalb der Brutzeit schlafen Wiesenpieperschwärme meist in 20-50 cm hohen Vegetationsbeständen oder in niedrigen/geknickten Röhrichten am Wasser.

Hinweise auf Abgrenzung von Populationen:

Betrachtungsmaßstab unterhalb der Ebene Landkreis, in der Regel besiedelter Offenlandkomplex

Habitatkomplexe

  • Äcker und Sonderkulturen
  • Bergbaubiotope
  • Feuchtgrünland, Staudenfluren
  • Grünland, Grünanlagen
  • Heiden, Magerrasen
  • Moore
  • Ruderalfluren, Brachen
  • Sümpfe, Niedermoore, Ufer

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Bergbaubiotope
  • Feuchtgrünland, Staudenfluren
  • Grünland, Grünanlagen
  • Heiden, Magerrasen
  • Moore
  • Ruderalfluren, Brachen
  • Sümpfe, Niedermoore, Ufer

Ökologische Charakterisierung

  • Moore
  • Offene Landschaft
  • Offene Landschaft besonderer Struktur
  • Offene Landschaft, Feuchthabitate
  • Offene Landschaft, mittlere Habitate
  • Offene Landschaft, Nutzflächen, Intensivgrünland
  • Offene Landschaft, trockene Habitate

Höhenstufen

  • alpin
  • collin
  • collin-montan
  • hochmontan
  • montan
  • planar
  • subalpin

Management


Beurteilung

Der aktuell negative Bestandstrend und der gleichzeitig zunehmende Lebensraumverlust werden den Erhaltungszustand der Art kurz- bis mittelfristig vermutlich weiter verschlechtern. Als (noch) häufige Brutvogelart ist eine Förderung nur über landesweiten Lebensraumschutz im Grünland, insbesondere die Berücksichtigung der Vorkommensflächen in der Förderkulisse sowie der Ansprüche der Art bei den Fördermaßnahmen sinnvoll möglich.

Management

Eine Förderung des Wiesenpiepers ist bereits durch allgemeine Maßnahmen in Lebensräumen möglich. Dies betrifft insbesondere die Sicherung, Wiederherstellung und extensive Bewirtschaftung von Feuchtgrünland. Eine besondere Gefährdung geht von einer frühen Mahd und dem Walzen/Schleppen des Grünlandes im Zeitraum April/Mai aus. Strukturarme Grünlandbestände können durch Belassen einzelner Hochstauden bzw. niedriger Einzelgehölze oder durch Integration von nur im mehrjährigen Abstand gemähten Streifen deutlich aufgewertet werden. Im Weideland ist eine Auskopplung von Kernbereichen der Brutgebiete bis Juli/August förderlich. Brutplätze an Straßenrändern können durch Verzicht auf eine Mahd vor Anfang August geschützt werden (vgl. auch Steffens et al. 2013).

Zentrales Medium für die Sammlung von Artdaten in der Naturschutzverwaltung des Freistaates Sachsen ist die Zentrale Artdatenbank beim LfULG: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/8048.htm;

Aktuelle Übersichtskarten der Verbreitung von Arten in Sachsen können unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/ida

Gefährdungen


Anhaltende Lebensraumverluste durch:

  • Hydromelioration, Umwandlung von Grün- in Ackerland und Intensivierung der Grünlandnutzung
  • frühe Erstmahd im Grünland
  • Nutzungsaufgabe/Aufforstung von Rest- und Splitterflächen
  • Sukzession von Sonderstandorten, z. B Truppenübungsplätzen und Bergbaufolgelandschaften

Sonstiges


Literatur

Bauer, H.-G., Bezzel, E. & Fiedler, W. (Hrsg.) (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 2: Passeriformes – Sperlingsvögel. – AULA-Verlag Wiebelsheim: 622 S.

Fünfstück, H.-J., Ebert, A., Weiß, I. (2010): Taschenlexikon der Vögel Deutschlands. - Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim: 685 S.

Hötker, H. (1990): Der Wiesenpieper. Die Neue Brehm Bücherei 595. – A. Ziemsen Verlag Wittenberg Lutherstadt: 156 S.

Steffens, R., Nachtigall, W., Rau, S., Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. – Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden: 656 S.

Stickroth, H. (2005): Brutvögel (Aves). - In: Günther, A., Nigmann, U., Achtziger, R. & Gruttke, H. (Bearb.) (2005): Analyse der Gefährdungsursachen von planungsrelevanten Tiergruppen in Deutschland. - Naturschutz und Biodiversität 21: 113-175

Urs N. Glutz von Blotzheim (Hrsg.): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Mit einem Lexikon ornithologischer Fachbegriffe von Ralf Wassmann. Vogelzug-Verlag, Wiebelsheim 2004, ISBN 3-923527-00-4 (CD-ROM für Windows, MacOS, Unix usw., als PDF-Datei: 15.718 Buchseiten mit 3200 Abbildungen).

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Stand: 02.02.2022

Erstbearbeitung: 22.12.2015; Bearbeiter: Dr. André Günther und Marko Olias (Naturschutzinstitut Freiberg)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022

Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.

Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html

Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html

Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html

Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de