Motacilla flava Linnaeus, 1758 / Schafstelze

Synonyme


Wiesenschafstelze

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:BG (besonders geschützt)
Rote Liste Deutschland:* (derzeit keine Gefährdung)
Rote Liste Sachsen:V (zurückgehende Art lt.Vorwarnliste, zurückgehende Pflanzengesellschaften (keine Gefährdungskategorie!))

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

Die Wiesenschafstelze ist eine von etwa sieben europäischen Semispezies (Grenzfall zwischen Rasse und Art) der Sammelart (Superspezies) "Schafstelze" Motacilla [flava]. Sie hat keine Unterarten. Es gibt zahlreiche Kontaktzonen der Semispezies mit Mischpopulationen. In Mitteleuropa brütet vor allem die Wiesenschafstelze Motacilla [flava] flava (Linnaeus, 1758) sowie (selten) Motacilla [flava] cinereocapilla (Savi, 1881) und Motacilla [flava] flavissima (Blyth, 1834), die nach Barthel & Helbig (2005) aktuell jeweils als eigene Arten betrachtet werden.

Kennzeichen

Die Wiesenschafstelze ist etwas kleiner und schlanker als eine Bachstelze. Beim Männchen sind Kehle, Brust und Bauch leuchtend gelb. Der Oberkopf ist grau und hat einen weißen Überaugenstreif. Rücken und Flügelansatz sind gelblich grün und die Schwungfedern braun mit zwei schmalen hellen Flügelbinden sowie schmalen hellen Federsäumen. Das Weibchen ist unterseits blass gelb gefärbt. Oberkopf, Nacken, Rücken und Schultern sind eher graugrün. Die Jungvögel sind überwiegend graubraun gefärbt.

Biologie und Ökologie

Die Schafstelze ist Brutvogel offener, gehölzarmer Kulturlandschaften und besiedelt stark zunehmend Ackergebiete, dort vor allem Raps, Getreide, Klee und Hackfrüchte. Im Grünland kommt die Art bevorzugt auf extensiv genutzten Weiden vor. Das Nest ist fast immer auf dem Boden in dichter Kraut- und Grasvegetation gebaut. Gelegentlich kommt es zu kolonieartigen Häufungen von Bruten. Das Revier wird vom Männchen besetzt; Nistplatzwahl, Nestbau und Brut übernimmt aber meist das Weibchen. Es kommt zu 1-2 Jahresbruten (Brut- oder Saisonehe) mit meist 5-6 Eiern. Die Brutdauer beträgt 12-14 Tage, worauf sich eine Nestlingsdauer von 10-13 Tagen anschließt. Mit 14-16 Tagen sind die Jungvögel flügge. Beide Partner füttern den Nachwuchs. Die Nestreviere sind meist < 0,5 ha groß und die Nahrungshabitate liegen davon z. T. weit entfernt (bis ca. 1 km).
Die Nahrung besteht aus kleinen, hauptsächlich fliegenden Insekten, vereinzelt aus Spinnen, kleinen Schnecken und Würmern.
Die Wiesenschafstelze ist ein Langstreckenzieher mit Winterquartieren im tropischen Afrika und Asien. Die Hauptüberwinterungsgebiete der europäischen Brutvögel liegen vor allen in Afrika südlich der Sahara mit Schwerpunkt vom Senegal bis Kenia. Als Durchzügler kommt in Deutschland auch die skandinavische Motacilla [flava] thunbergi (Thunbergschafstelze) vor.

Überregionale Verbreitung

Die Sammelart (Superspezies) Motacilla flava ist Brutvogel in großen Teilen der Nordhalbkugel, von der Atlantikküste Nord-Afrikas und Europas nach Osten bis an die Pazifikküste und über die Beringstraße bis West- und Nord-Alaska (Südgrenze u. a. Maghreb, Ägypten, Israel, Syrien, Nord-Iran, Hindukusch, Altai).
Die Wiesenschafstelze Motacilla [flava] flava besiedelt Mitteleuropa nördlich der Alpen, den Nordosten Frankreichs, den Süden Großbritanniens (nur einzelne), Süd-Norwegen, Süd-Schweden und Dänemark. Im Südosten reicht die Verbreitung bis Ungarn. In Deutschland brütet fast ausschließlich die Wiesenschafstelze und nur ausnahmsweise gibt es Bruten von M. f. flavissima und zumeist fragliche Nachweise von M. f. cinereocapilla.
Die Wiesenschafstelze ist in Deutschland weit verbreitet. Flächendeckend besiedelt ist das Norddeutsche Tiefland. Die höchsten Dichten werden im Wendland und in der Altmark erreicht. Die Art fehlt vor allem in den höheren, waldreichen Mittelgebirgen (Sauerland, Westerwald, Eifel, Hunsrück, Pfälzerwald, Schwarzwald, Schwäbische Alb, Allgäu, Alpen, Bayerischer und Böhmerwald, Harz, Thüringer Wald, Erzgebirge).

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

günstig

Prüfung und Erfassung


Verantwortlichkeit (Sachsen)

Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 3,8 %

Hinweise für Artenschutzprüfung

  • Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
  • Gemeindegebiet als Bezugsraum für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfung

Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung

Brutvogelaspekt

Untersuchungsstandards

Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Hinweise: Frühjahrsdurchzug bis Anfang Juni beachten, großer Aktionsradius bei Nestbau und Fütterung (bis 1 km um Nest) erschwert Revierzuordnung, Bestandsüberschätzung bei Individuenkonzentrationen an attraktiven Nahrungsplätzen, Unterschätzung bei lokalen Revierkonzentrationen möglich, teilweise Revierwechsel bei Zweitbruten

Sonstige Arten-Attribute

  • Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im weiteren Sinne, Tab. 3)
  • Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
  • Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)

Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)

  • als Brutvogel: IV.8 (mäßig)
  • als Gastvogel: IV.9 (mäßig)

Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)

  • als Brutvogel: 4 (gering)
  • als Gastvogel: 5 (sehr gering)

Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)

  • als Brutvogel: 5 (mittel)
  • als Gastvogel: 5 (mittel)

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Status Vögel

Brutvogel, Gastvogel

Bemerkung zum Status

Sommervogel, Durchzügler

Nachweisabsicherung

Nein

Langfristiger Bestandstrend

  • gleichbleibend
  • mäßiger Rückgang

Kurzfristiger Bestandstrend

gleichbleibend

Bestand

Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 4000-8000 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 3000-6000 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 4000-8000 BP (Brutvogelkartierung 3)

2016: 3000-6000 BP (Expertenschätzung)

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Naturraumkarte

Naturraumkarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Erläuterung Phänologie

Die Wiesenschaftstelze kommt ab Ende März/Anfang April in den sächsischen Brutgebieten an. Der Frühjahrsdurchzug findet vor allem von Ende April bis Anfang Mai statt und klingt Ende Mai aus. Die Eiablage beginnt Ende April, der Brutzeitschwerpunkt reicht von Mai bis Anfang Juli (fütternd bis spätestens Mitte August). Der Wegzug beginnt im August, erreicht seinen Höhepunkt Ende August/September und klingt im Oktober aus (einzelne noch bis November/Dezember)(Steffens et al. 1998, 2013).

Lebensraum


Die Schafstelze ist Brutvogel der Feldflur des sächsischen Tieflandes unterhalb 200 m ü. NN (nur sporadisch bis etwa 400 m ü. NN). Die höchsten Dichten werden in Nordsachsen erreicht, hier vor allem in der Elbeniederung und im Delitzscher Ackerland. Die Art besiedelt als Brutvogel offene Flächen mit niedriger Vegetation und maximal 80-90% Deckungsgrad. Die Schafstelze benötigt Sitzwarten wie Koppelpfähle, Sträucher, Gebüsche oder Hochstauden. Seit etwa 1950 gibt es einen auffälligen Wechsel vom Wiesen- zum Feldbrüter. Aktuell brütet die Art vor allem in Raps, Klee, Kartoffeln und Wintergetreide bevorzugt an Bestandslücken. Sonstige Bruthabitate sind feuchte oder trockene Wiesen/Weiden, Ödland, Ruderalflächen, aufgelassene Kiesgruben und Tagebaugelände. Die Brutreviere konzentrieren sich oft entlang von Grenzlinien wie Gewässerufern, Gräben, Fließen, Rainen, Weg- und Straßenrändern. Zur Nahrungssuche hält sich die Schafstelze gern zwischen Weidetieren, an Viehtränken oder Futterstellen, an Misthaufen, an Gewässerufern, in vegetationsarmen Ruderalflächen und Säumen sowie auf frisch gemähten Wiesen auf.

Lebensräume nach Artenschutzrecht

Fortpflanzungsstätten:
Die Fortpflanzungsstätte ist das engere Brutrevier. Nach Flade (1994) ist das Nestrevier z. T. kleiner als 0,5 ha. Bevorzugte Nahrungsreviere sind oft weit vom Brutplatz entfernt (bis 1 km) und gehören in solchen Fällen nicht zur Fortpflanzungsstätte.

Ruhestätten:
Während der Brutzeit liegen die Ruhestätten im engeren Brutrevier. Auf dem Durchzug kommt es zu Schlafplatzgemeinschaften in Schilf-, Rohrkolben-, und höheren Riedgrasbeständen, Weidengebüschen oder auch in Zuckerrüben- und Maisfeldern (Stiefel 1979). In Sachsen wurden größere Schlafplatzgemeinschaften (bis mehrere Hundert) auf dem Herbstzug vor allem in Feucht- und Teichgebieten festgestellt (Steffens et al. 2013).

Habitatkomplexe

  • Äcker und Sonderkulturen
  • Bergbaubiotope
  • Feuchtgrünland, Staudenfluren
  • Fließgewässer, Quellen
  • Grünland, Grünanlagen
  • Ruderalfluren, Brachen
  • Stillgewässer inkl. Ufer
  • Sümpfe, Niedermoore, Ufer

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Äcker und Sonderkulturen
  • Bergbaubiotope
  • Feuchtgrünland, Staudenfluren
  • Grünland, Grünanlagen
  • Ruderalfluren, Brachen

Höhenstufen

  • collin
  • planar

Sonstiges


Literatur

Barthel, P. H. & Helbig, A. J. (2005): Artenliste der Vögel Deutschlands. - Limicola 19 (2): S. 89-111

Bernotat, D. & Dierschke, V. (2015): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen 2. Fassung - Stand 25.11.2015. (Studie als PDF-Datei)

Bezzel, E. (1993): Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Passeres - Singvögel. AULA-Verlag, Wiesbaden.

Flade, M. (1994): Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands. IHW-Verlag, Eching.

Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.

Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)

Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.

Stiefel, A. (1979): Ruhe und Schlaf bei Vögeln. Die Neue Brehm-Bücherei 487. Ziemsen-Verlag, Wittenberg.

Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.

Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG

Stand: 02.02.2022

Erstbearbeitung: 28.09.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Hans-Markus Oelerich (Halle)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022

Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.

Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html

Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html

Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html

Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de