Panurus biarmicus (Linnaeus, 1758) / Bartmeise

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:BG (besonders geschützt)
Rote Liste Deutschland:* (derzeit keine Gefährdung)
Rote Liste Sachsen:R (extrem selten)

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

2-3 Unterarten, in Mitteleuropa brütet die Nominatform Panurus biarmicus biarmicus (Linnaeus, 1758) sowie Panurus biarmicus russicus (Brehm, 1831)

Kennzeichen

Die Bartmeise ist ein schilfbewohnender Singvogel und etwas größer als eine Kohlmeise. Sie hat einen langen Schwanz mit gestuften Außenkanten, relativ kurze runde Flügel und einen kräftigen gelben Schnabel. Das Männchen hat einen blaugrauen Kopf und einen charakteristischen schwarzen Bartstreif. Rücken, Schwanz und Körperseiten sind hell zimtbraun gefärbt, die Flügel kontrastreich zimtbraun, schwarz und weiß. Die Kehle ist weiß, auch Brust- und Bauchmitte sind weißlich. Die Unterschwanzdecken sind beim Männchen schwarz. Das Weibchen hat einen gelbbraunen Oberkopf und Nacken sowie beigefarbene Unterschwanzdecken und ähnelt ansonsten dem Männchen. Das Jugendkleid ist dem Weibchen ähnlich, nur Rücken und Schwanzseiten sind schwarz.

Biologie und Ökologie

Die Bartmeise ist Brutvogel ausgedehnter Altschilfbestände, etwa in Verlandungszonen von nährstoffreichen, stehenden Binnengewässern, Flussarmen und Altwässern, flachen Brackwasserlagunen, Boddengewässern und Meeresbuchten. Sie baut das Nest meist im Knickschilf oder zwischen Rohrkolben, Seggen und Stauden. Die Nester werden einzeln, doch oft auch kolonieartig angelegt. Die Bartmeise führt eine monogame Saison- oder eine Dauerehe mit regelmäßig 2 (bis 3) Jahresbruten. Sie legt 4-7 Eier. Die Brutdauer beträgt 12-13 Tage, worauf eine Nestlingsdauer von 13-14 Tagen folgt. Beide Altvögel brüten und füttern. Nahrungsgebiete können bis 800 m von den Brutplätzen entfernt sein. Die Jungen werden bis 2 Wochen nach dem Ausfliegen betreut. Die Jungenschwärme werden oft von adulten Männchen begleitet, da die Weibchen erneut brüten.
Die Nahrung besteht im Frühjahr und Sommer fast ausschließlich aus Insekten und anderen kleinen Wirbellosen, im Winter vor allem aus Samen (Rohrkolben, Schilf) und überwinternde Stadien von Wirbellosen.
Die Bartmeise ist Standvogel oder Teilzieher. Vielfach findet ein Kurzstreckenzug statt bzw. ein winterliches Umherstreifen vom Evasionstyp (Verlassen eines Gebietes durch Teile der Population, z. B. bei Kälte oder Nahrungsmangel). Die Art überwintert im gesamten Verbreitungsgebiet auch an ihren Brutplätzen.

Überregionale Verbreitung

Die Bartmeise ist Brutvogel in Eurasien, vor allem in der gemäßigten, mediterranen, Steppen- und Wüstenzone sowie in einzelnen Vorkommen im Süden der borealen Zone. Die Art ist von Spanien, West-Frankreich und Großbritannien im Westen über Südrussland bis in das Amurgebiet im Osten verbreitet.
In Europa ist das Areal sehr aufgesplittert und vor allem im Westen in einzelne stark isolierte und unterschiedlich konstant besiedelte Gebiete aufgelöst. Die Nordgrenze der Verbreitung liegt im südlichen Fennoskandien (Südschweden, Südfinnland). Im Süden ist die Art bis zum Mittelmeer verbreitet. Die Hauptverbreitung in Europa liegt in der Schwarzmeerregion und in Südrussland.
In Deutschland sind die Vorkommen der Bartmeise vor allem auf das Norddeutsche Tiefland beschränkt. Besonders hohe Dichten werden an der Haff- und Boddenküste bei Usedom und im Peenetal erreicht, zudem entlang der Boddenküste von Rügen, Hiddensee und dem Darß über die Mecklenburger Bucht bis nach Fehmarn. Weiterhin sind im nordostdeutschen Tiefland als zusammenhängende Besiedlungsschwerpunkte zu nennen: die Mecklenburgische Seenplatte, die Uckermark, die Niederungen der Havel, Seen südlich von Berlin sowie Gewässer im Raum Mittelelbe-Saale-Halle-Leipzig. Im Nordwestdeutschen Tiefland liegen Verbreitungsschwerpunkte vor allem an den Unterläufen von Ems, Weser und Elbe sowie im Bereich der Nord- und Ostfriesischen Inseln. In den Mittelgebirgsregionen und im Alpenvorland gibt es nur wenige lokale Vorkommen.

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

günstig

Prüfung und Erfassung


Verantwortlichkeit (Sachsen)

Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 0,7 %

Hinweise für Artenschutzprüfung

  • Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
  • Einzelvorkommen als Bezug für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfungen

Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung

Brutvogelaspekt

Untersuchungsstandards

Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Hinweise: schwierige Erfassbarkeit, hohe Mobilität im Brutgebiet, keine Revierverteidigung und kein regelmäßiger Gesang, Nester oft kolonieartig mit gemeinsamen Nahrungsgebieten, ggf. Erfassung vom Boot aus, weglose Schilfgebiete nicht durchqueren (Störungen!)

Sonstige Arten-Attribute

  • Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im weiteren Sinne, Tab. 3)
  • Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
  • Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)

Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)

  • als Brutvogel: IV.8 (mäßig)
  • als Gastvogel: IV.8 (mäßig)

Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)

  • als Brutvogel: 4 (gering)
  • als Gastvogel: 4 (gering)

Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)

  • als Brutvogel: 5 (mittel)
  • als Gastvogel: 5 (mittel)

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Status Vögel

Brutvogel, Gastvogel

Bemerkung zum Status

Brutvogel, Durchzügler, Wintergast

Nachweisabsicherung

Nein

Langfristiger Bestandstrend

deutliche Zunahme

Kurzfristiger Bestandstrend

deutliche Zunahme

Bestand

Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 0 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 4-6 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 20-40 BP (Brutvogelkartierung 3)  

2016: 30-50 BP (Expertenschätzung)

Vor 1959 nur 1865 und 1885 unsichere Feststellungen bei Löbau; 1983 Nest mit juv. im Dubringer Moor, 1992-94 Nestfund Großert Teich Torgau, 1994/95 ad. mit juv. Kulkwitzer Lachen, 1995 Eschefelder Teiche, 1996 Litzenteich.

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Naturraumkarte

Naturraumkarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Erläuterung Phänologie

Die Bartmeise besetzt die Brutgebiete ab Ende Februar, überwiegend aber zwischen Mitte März und Mitte April. Der Nestbau beginnt ab Mitte März und die Eiablage ab Ende März (meist ab Anfang April). Die Legeperiode dauert bis Ende Juli. Die ersten Jungvögel sind frühestens ab Ende April flügge (meist erst im Mai). Die Aufzuchtperiode dauert bis Mitte September (Südbeck et al. 2005).
Für Sachsen wird die Brutzeit für den Zeitraum von April bis August angegeben. Flügge Junge wurden ab Anfang Mai und Nestlinge noch Anfang August festgestellt (bis zu 3 Jahresbruten). Der Abzug aus den Brutgebieten bzw. Zerstreuungswanderungen an andere Gewässer beginnen ab August. Ab September kommt es zu Einflügen von Gastvögeln und zur Bildung größerer Trupps (Maximum im Oktober), die auch überwintern (bis Februar). Im Frühjahr ziehen Vögel bis Ende März/Anfang April durch bzw. streifen umher, ihr Auftreten überschneidet sich somit mit dem Brutbeginn (Steffens et al. 2013).

Lebensraum


Die Bartmeise ist Brutvogel in ausgedehnten und strukturreichen wasserständigen Röhrichten an Standgewässern (Tagebaurestgewässer, Fischteiche, Senkungsgewässer, Hochwasserrückhaltebecken, ehemalige Spülteiche) und in anderen Feuchtgebieten mit großen Flachwasserbereichen. Die Art bevorzugt reich strukturierte Röhrichte mit Altschilfbeständen (mit gut ausgeprägter Knickschilfschicht), die oft von kleinen offenen Wasserstellen sowie von Großseggen-, Rohrkolben-, Binsen- oder Wasserschwaden durchsetzt und z. T. auch locker verbuscht sind. Auch außerhalb der Brutzeit kommt die Bartmeise überwiegend in größeren Schilfgebieten, z. T. aber auch in linearen, aber hochwüchsigen Schilfsäumen am Ufer von größeren Standgewässern vor.

Lebensräume nach Artenschutzrecht

Fortpflanzungsstätten:
Die Fortpflanzungsstätte ist das Brutrevier. Die Bartmeise nistet teilweise kolonieartig in lockeren Gruppen (überlappende Brutreviere) und benötigt Röhrichtflächen von mehr als 5 ha Größe (Flade 1994). Die geringsten Nestabstände betragen 2-5 m, im Mittel 12 m (Bezzel 1993). Da die Brutplätze in der Regel nicht genau ermittelt werden können, sollte die zusammenhängende Röhrichtfläche, in der revieranzeigende oder brutverdächtige Beobachtungen registriert wurden, als Fortpflanzungsstätte betrachtet werden. Nahrungsgebiete können von den Brutrevieren separiert und bis 800 m entfernt sein.

Ruhestätten:
Die Ruhestätten liegen während der Brutzeit im Brutrevier. Bartmeisen schlafen im Schilf, familienweise dicht beieinander (Stiefel 1979). Die Art bildet zudem gemeinschaftliche Schlafplätze im Schilf, insbesondere während der Zugzeiten und im Winter (Südbeck et al. 2005).

Habitatkomplexe

  • Bergbaubiotope
  • Stillgewässer inkl. Ufer
  • Sümpfe, Niedermoore, Ufer

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Bergbaubiotope
  • Stillgewässer inkl. Ufer
  • Sümpfe, Niedermoore, Ufer

Höhenstufen

  • collin
  • planar

Sonstiges


Literatur

Bernotat, D. & Dierschke, V. (2015): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen 2. Fassung - Stand 25.11.2015. (Studie als PDF-Datei)

Bezzel, E. (1993): Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Passeres - Singvögel. AULA-Verlag, Wiesbaden.

Flade, M. (1994): Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands. IHW-Verlag, Eching.

Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.

Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)

Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.

Stiefel, A. (1979): Ruhe und Schlaf bei Vögeln. Die Neue Brehm-Bücherei 487. Ziemsen-Verlag, Wittenberg.

Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.

Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG

Stand: 02.02.2022

Erstbearbeitung: 27.09.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Michael Reuter, Hans-Markus Oelerich (Halle)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022

Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.

Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html

Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html

Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html

Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de