Corvus frugilegus Linnaeus, 1758 / Saatkrähe

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:BG (besonders geschützt)
Rote Liste Deutschland:* (derzeit keine Gefährdung)
Rote Liste Sachsen:2 (stark gefährdet)

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

2 Unterarten, in Mitteleuropa brütet die Nominatform Corvus frugilegus frugilegus (Linnaeus, 1758)

Kennzeichen

Die Saatkrähe ist ein ca. 45 cm großer, gesellig lebender Rabenvogel mit metallisch glänzendem schwarzem Gefieder. Markant ist der relativ schlanke Schnabel mit dem unbefiederten weißlichen Schnabelgrund. Die Geschlechter unterscheiden sich weder in Färbung noch in der Größe. Jungvögel haben einen befiederten Schnabelgrund und ähneln daher sehr der Rabenkrähe.

Biologie und Ökologie

Die bevorzugten Bruthabitate der Saatkrähe sind Acker-Grünland-Komplexe mit Baumgruppen, Feldgehölzen oder Alleen. Sie ist Charakterart der Niederungslandschaften, insbesondere von Marschen mit Weidegrünland und von offenen Flusstälern und Börden mit Acker- und Grünlandnutzung auf tiefgründigen fruchtbaren Böden. Die Art brütet in Kolonien, die sich oft in oder in der Nähe von Siedlungen befinden. Sie baut die Nester vorzugsweise in hohen Laubbäumen, wobei sich meist mehrere Nester auf einem Baum befinden und mehrere benachbarte Bäume besetzt sind.
Die Saatkrähe lebt in monogamer Mehrjahres- oder Dauerehe. Es findet eine Jahresbrut mit meist 3-5 Eiern statt (regelmäßig Nachgelege bei Verlust). Die Brutdauer beträgt 16-18 Tage, die Nestlingsdauer 32-35 Tage. Nur das Weibchen brütet. Anfänglich füttert nur das Männchen, später beide Geschlechter.
Die Nahrung ist etwa zu gleichen Anteilen pflanzlich und tierisch. Hauptnahrung sind Wirbellose und Sämereien (vor allem Getreidekörner). Nahrungsflüge werden bis in 1-6 km Entfernung zur Brutkolonie unternommen.
Die Saatkrähe ist sowohl Zug- als auch Standvogel. Generell nimmt in Europa von West nach Ost der Individuenanteil der Zugvögel zu. Westeuropäische Vögel verbleiben zum größten Teil im Brutgebiet. Mitteleuropäische Populationen ziehen zu etwa 60 % nach Westen und Südwesten, wobei die Länge der Zugstrecken in der Regel 1000 km nicht überschreitet. Die Brutvögel aus Nordosteuropa (vor allem aus Russland und dem Baltikum) überwintern zum Teil in Mitteleuropa, überqueren es aber auch in großer Zahl, um in West- und Südeuropa zu überwintern. Die Zahl der Durchzügler übertrifft in Deutschland den Winterbestand um ein Mehrfaches.

Überregionale Verbreitung

Die Saatkrähe ist Brutvogel in Eurasien von Irland, Großbritannien und Frankreich bis in die Steppen Zentralasiens. Weiter östlich kommt die Unterart Corvus frugilegus pastinator bis an den Pazifik vor. In Europa ist die Art weit verbreitet, fehlt aber als Brutvogel in der Südschweiz, in weiten Teilen Österreichs, Italiens und der Iberischen Halbinsel. Im Norden Europas erreicht sie als Brutvogel Dänemark und Südschweden, im Südosten die Türkei und die Küsten des Kaspischen Meeres.
In Deutschland kommt die Saatkrähe als Brutvogel inselartig zerstreut vor und besiedelt hauptsächlich Tallandschaften und Tiefländer. Besiedlungsschwerpunkte liegen vor allem im Nordwesten und Südwesten des Landes (Hügelland Schleswig-Holsteins, Flussniederungen und Marschen im Nordwestdeutschen Tiefland, Rhein-Main-Gebiet, Saarland, Oberrheintal) sowie im zentralen Alpenvorland. Ostdeutschland ist spärlicher besiedelt, hier gibt es nur in Teilen Mecklenburgs, der Prignitz, in der Altmark, im mittleren und südlichen Sachsen-Anhalt und im Bereich Oberlausitz/Zittauer Becken regionale Brutplatzhäufungen. Die Mittelgebirge und die walddominierten Landschaften des Tieflands sind weitgehend unbesiedelt.

Prüfung und Erfassung


Verantwortlichkeit (Sachsen)

Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 0,8 %

Hinweise für Artenschutzprüfung

  • Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
  • Einzelvorkommen als Bezug für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfungen

Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung

Brut- und Gastvogelaspekt

Untersuchungsstandards

Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Hinweise: Bestandserfassung nur über Nesterzählungen möglich, dazu Synchronzählungen an Stichtagen in räumlich zusammenhängenden Gebieten

Sonstige Arten-Attribute

  • Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im weiteren Sinne, Tab. 3)
  • Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
  • Brutvogelart in den SPA-Standarddatenbögen (neu) - Fortpflanzung
  • Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)

Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)

  • als Brutvogel: III.6 (mittel)
  • als Gastvogel: III.6 (mittel)

Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)

  • als Brutvogel: 4 (gering)
  • als Gastvogel: 4 (gering)

Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)

  • als Brutvogel: 3 (hoch)
  • als Gastvogel: 3 (hoch)

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Status Vögel

Brutvogel, Gastvogel

Nachweisabsicherung

Nein

Langfristiger Bestandstrend

  • starker Rückgang
  • mäßiger Rückgang

Kurzfristiger Bestandstrend

  • deutliche Zunahme
  • starke Abnahme

Bestand

Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 1500-2000 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 1500-2000 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 900-1200 BP (Brutvogelkartierung 3)

2016: 800-900 BP (Schätzung aufgrund Teilstichprobe)

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Naturraumkarte

Naturraumkarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Erläuterung Phänologie

Die Brutvögel treffen an den Brutplätzen von Januar bis März ein. Der Nestbau beginnt ab Februar/März. Die Brutzeit erstreckt sich von Mitte März bis Mitte/Ende Juni. Es wird eine Jahresbrut durchgeführt, bei Gelegeverlust kommt es zu Ersatzgelegen. Nach dem Ausfliegen der Jungen wird die Brutkolonie verlassen. Im September/Anfang Oktober sind regelmäßig kleine ab- oder durchziehende Krähentrupps zu beobachten. Ab Mitte Oktober kommt es dann zu einem stärkeren Einflug bzw. Durchzug von Schwärmen (vermischt mit Dohlen) mit einem Höhepunkt Ende Oktober/November. Die Zahl der Durchzügler ist bedeutend größer als die Winterbestände. Letztere bleiben von Mitte Dezember bis Mitte Februar oft insgesamt auf etwa gleichem Niveau. Der sich anschließende Abzug/Frühjahrsdurchzug findet vorwiegend im März statt und klingt im April aus. Außerhalb der Brutgebiete werden Saatkrähen im Mai nur noch sehr selten beobachtet (Steffens et al. 2013).

Lebensraum


Die Saatkrähe besiedelt offene, mit Baumgruppen durchsetzte Landschaften sowie ackerbaulich genutzte Flächen mit Grünlandanteil (v. a. in Flussniederungen und im Flachland). Die Brutkolonien vor 1940 befanden sich überwiegend in Gehölzen inmitten der Feldflur. Seither liegen die Ansiedlungen vor allem im Bereich von Ortschaften (Parks, Straßenbäume) oder anderen Siedlungsstrukturen (z. B. Kläranlagen, Gewerbeflächen, Industrie- und Bahnanlagen). Die Nester werden überwiegend auf hohen Laubbäumen (lokal auch auf Kiefern) in meist separierten Gehölzen errichtet. Die Verbreitung der Art in Sachsen zeigt eine mehr oder weniger starke Anlehnung an die Flusssysteme (Weiße Elster, Pleiße und Parthe, Zwickauer Mulde, Elbe und Röder, Spree und Neiße). Von Bedeutung sind hohe Grundwasserstände, weiche humusreiche Böden sowie häufige Bodenbearbeitung. Als Nahrungshabitate (auch der Wintergäste) dienen vor allem Grünlandflächen und Äcker, Rasenflächen im Siedlungsbereich, Gärten mit Nussbäumen, Industriebrachen, Bahngelände, Deponien und Abfallaufbereitungsanlagen. Im Winter ist die Saatkrähe noch stärker an die Städte gebunden und ist dann auch in deren Zentren zahlreich anzutreffen.

Lebensräume nach Artenschutzrecht

Fortpflanzungsstätten:
Die Fortpflanzungsstätte ist die Brutkolonie bzw. deren Nestbaumbestand. Große Kolonien können aus mehreren Hundert Brutpaaren bestehen, viele Kolonien sind jedoch kleiner (< 100 Brutpaare; insbesondere bei kurzzeitigen Ansiedlungen auch < 10 BP). Koloniestandorte und deren Bestände sind durch veränderte Nahrungsbedingungen, Störungen und Vertreibungen oft sehr veränderlich.

Ruhestätten:
Nach der Fertigstellung der Nester wird während der Brutzeit in der Kolonie übernachtet. Ab September werden allabendlich Massenschlafplätze aufgesucht (dabei anfangs am Tag noch in den Kolonien). Die Individuenzahl an den Schlafplätzen steigt durch Zuzügler aus nordöstlichen Gebieten. Die Schlafplätze befinden sich unter anderem in Parks, Auwäldern und störungsarmen Waldgebieten (Nadel- und Laubbäume). Die Entfernung zwischen Schlafplatz und Nahrungsgebieten kann bis zu 30 km betragen (Stiefel 1979).

Habitatkomplexe

  • Äcker und Sonderkulturen
  • Gebäude, Siedlungen
  • Gehölze, Baumbestand
  • Grünland, Grünanlagen
  • Ruderalfluren, Brachen

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Gebäude, Siedlungen
  • Gehölze, Baumbestand

Höhenstufen

  • collin
  • montan
  • planar

Sonstiges


Literatur

Bernotat, D. & Dierschke, V. (2015): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen 2. Fassung - Stand 25.11.2015. (Studie als PDF-Datei)

Bezzel, E. (1993): Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Passeres - Singvögel. AULA-Verlag, Wiesbaden.

Flade, M. (1994): Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands. IHW-Verlag, Eching.

Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.

Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)

Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.

Stiefel, A. (1979): Ruhe und Schlaf bei Vögeln. Die Neue Brehm-Bücherei 487. Ziemsen-Verlag, Wittenberg.

Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.

Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.

http://de.wikipedia.org/wiki/Saatkrähe

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG

Stand: 02.02.2022

Erstbearbeitung: 27.09.2016; Bearbeiter: Hans-Markus Oelerich, Jörg Huth (Halle)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022

Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.

Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html

Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html

Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html

Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de